Leserbrief zu Dieter Hoffmeister (OKB) in Sachen Walter Kröll
Zu dem Leserbrief von Herrn Dieter Hoffmeister vom 3.9.2021 “Werk des Künstlers wird vollständig ausgeblendet”, in dem ich u.a. auch genannt bin, bitte ich Sie um den Abdruck des folgenden Leserbriefs. Sollte er wider Erwarten zu lang sein, rufen Sie mich bitte wegen Kürzung wieder an.
Schon der Titel des Leserbriefes “Werk des Künstlers wird vollständig ausgeblendet” ist irreführend – darum ging es doch gerade, daß man Krölls Werke von 1933-1943, und damit seine Nazi-Vergangenheit, bisher verschwiegen hat (Werke u.a. Pimpfe, HJ-Hitlerjungen, Aufbruch, Fahnenträger, “Front- und Soldatenbilder”, großes Hitlerbild in der Aula, Trommler, Soldatenkopf, Kameraden). Der Ruhm der Künstler (s. Hitlers Selbstverständnis als Künstler!), die von den Nazis mit deren gezielter Förderung der Künste in ihrem Sinne besonders von anderen Gruppen abgehoben wurden, verschaffte ihnen in der damaligen Pseudo-Öffentlichkeit eine spezifische Vorbildfunktion – man kann deshalb deren Nazi-Vergangenheit nicht einfach, wie es Dieter Hoffmeister versucht, als nicht mehr bedeutsam (“wenig fruchtbar”) abtun mit dem Argument, daß sie natürlich nach 1945 noch andere Bilder gemalt haben. 1940 – zur Ausstellung seines großen Hitlerbildes in der Aula – war Kröll mit fast 30 Jahren eben kein unverantwortlicher Jugendlicher mehr und jeder Miterlebende hat die Behandlung der Juden ab November 1938 anschaulich mitbekommen – sowie die Behandlung der Linken und aller Andersdenkenden als “Untermenschen” schon vor den späteren Massenmorden – und konnte deshalb über den Charakter dieses Regimes nicht mehr im Zweifel sein. Zur Frage seiner Nazi-Überzeugung: schließlich dürfte Kröll auch den Rasseblödsinn geglaubt haben – so emphatisch wie er seinen Führer gemalt hat.
Zu den NSDAP-Mitgliedern des Oberhessischen Künstlerbundes gehörten mit Partei-Eintrittsdatum: Lotte Bingmann-Droese, 1.5.33, mit Aufträgen für Kasernen und Lazarette, Carl Bourcarde, 12.2.41, schuf 1938 das Relief an der Bergkaserne mit Blut-und-Boden-Ideologie, danach eine Führer-Büste, einen Führer-Kopf und einen “Krieger”, mit der hakenkreuzgeschmückten Gruppe “Vereine Kräfte” brachte er es im Juli 1941 bis in die Nazi-Staatsausstellung in München, Heinz Geilfus, 1.9.32, er stattete im April 193 einen Bad Nauheimer Hitlertag aus, Ludwig Güngerich, 1.5.33, 1952-1970 Vorsitzender des OKB, er schuf 1936 eine Hitler-Büste und 1938 eine Goebbels-, eine Clementia- und eine Duce-Büste, Göring-Bildnisse und später noch expressive Kriegerköpfe, Hellmuth Mueller-Leutert, 1.3.33, war schon 1933 und wieder 1942 mit einer Hitler-Büste vertreten, Wilhelm Viehmann, 1.7.37, beschränkte sich zwar u.a auf Hüttenberger Trachten, gehörte aber immerhin 7 NS-Unterorganisationen an. Auf die damaligen teilweise exzessiven Belobigungen gehe ich hier nicht ein.
Noch im Juni 1943 veranstaltete der OKB in Bad Nauheim eine Kunst-Ausstellung zur Wehrkraftertüchtigung (“Aufrüstung der Herzen”). Das von Hoffmeister behauptete “mutige” Ausbrechen des OKB aus “der ideologischen Bevormundung” des NS von 1943 erscheint deshalb sehr unwahrscheinlich. Wenn es dafür ein belegendes Zitat wirklich gibt, sollte er es bald veröffentlichen oder noch besser das betreffende Dokument öffentlich ausstellen. Die Künstler sind doch auch sonst sehr auf die Veröffentlichung ihrer Werke erpicht. Da bisher nichts Konkretes über eine geistige Wandlung des OKB von 1943 aufgetaucht ist, bleibt dem kritischen Betrachter nur die Vermutung, daß es sich wieder einmal um die übliche Weißwäscherei der Jahre 1945ff. vor den Entnazifizierungsausschüssen handelt. – Das Abbrechen der “Entnazifizierung” 1947/48 durch den Kalten Krieg hat bis heute immer wieder zum Aufflammen des Antisemitismus und zur Wiederbelebung rechtsradikaler Parteien geführt.
Jörg-Peter Jatho, Gießen
(Diesen Leserbrief hat die Gießner Allgmeine nicht veröffentlicht. Dort erschien auch der Lesrbrief von Hoffmeister.)