Zur UN-Weltwasserkonferenz. Wasser als Thema der globalen Agenda
Die Wasserkonferenz vom 22.–24.3.2023 in New York war das erste große UN-Treffen seit 1977, bei dem ausschließlich das Thema Wasser behandelt wurde. Die Vereinten Nationen hatten angesichts einer weltweit drohenden Wasserkrise Alarm geschlagen.
Der Wasserkreislauf sei durchbrochen, Ökosysteme zerstört und Grundwasser verseucht. Zwei Milliarden Menschen, jede und jeder vierte, haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser. Und die weltweite Trinkwasserknappheit werde sich weiter verstärken.
Auf der Konferenz gab es wenig konkrete Zusagen. Sie endete mit einem unverbindlichen Aktionsplan. Darin enthalten sind 689 freiwillige Verpflichtungen mit einem geschätzten Gesamtwert von ca. 750 Milliarden Dollar, um die globale Wasserkrise zu bekämpfen. Trotzdem bleibt positiv, »dass wir hier innerhalb von ein paar Tagen mehr Selbstverpflichtung im Volumen des Wertes bekommen (haben) als wir die Diskussion haben um die Klimafinanzierung, die wir schon seit Jahren nicht hinbekommen«, unterstreicht UN-Generalsekretär António Guterres.
Immerhin haben sich mehrere Länder aus Afrika und Lateinamerika auf die bislang größte gemeinsame Initiative zur Rettung geschädigter Flüsse, Seen und Feuchtgebiete geeinigt. Deutschland bringt auch seine nationale Wasserstrategie in den Aktionsplan des Wassergipfels ein und verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass das Wasser im eigenen Land nachhaltig bewirtschaftet wird. Die Bundesregierung setzt sich auch dafür ein, dass es künftig einen UN-Sonderbeauftragten für Wasser gibt.
Ob die Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden, das soll unter anderem in zwei Jahren auf einer Folgekonferenz überprüft werden. Der Wendepunkt fürs Wasser sei da, sagt auch UN-Wasserexperte Cullmann – fast 50 Jahre nach der ersten UN-Wasserkonferenz. Allen sei klar: Wir bekommen keine Nahrungssicherheit ohne Wasser, wir können keine Energie produzieren ohne Wasser, wir haben keine Gesundheit ohne Wasser. Das sei jetzt angekommen, und »das ist das Schöne an der Konferenz«.
Zu Beginn sprach UN-Generalsekretär Guterres die weltweit drohenden Wasserkrise an: »Wir saugen diesen Lebenssaft der Menschheit ab – durch vampirischen Überkonsum und nicht nachhaltige Nutzung. […] Wir haben den Wasserzyklus durchbrochen, Ökosysteme zerstört und das Grundwasser verseucht«. Fast drei von vier Naturkatastrophen hingen mit Wasser zusammen. Es brauche deshalb neue Wege, das »Lebenselixier der Menschheit« aufzubereiten und zu sparen. Guterres forderte ein globales Informationssystem, um den Wasserbedarf in Echtzeit vorherzusagen. Auch müsse ein Frühwarnsystem gegen gefährliche Klima- oder Wetterereignisse her.
Der Weltwasserbericht 2023, den die UNESCO im Auftrag der Vereinten Nationen erstellt hat, zieht eine verheerende Zwischenbilanz: »Zwei Milliarden Menschen haben weiter keinen Zugang zu sicherer Trinkwasserversorgung und 3,6 Milliarden keinen Zugang zu einer sicheren Abwasserentsorgung. Um die Wasser-Ziele der Agenda 2030 zu erreichen, bräuchten wir viermal so große Anstrengungen. Angesichts begrenzter Finanzmittel müssen wir koordiniert vorgehen und zum Beispiel beim Klimaschutz immer auch Wasser-Fragen mitdenken. In Europa stehen wir bei Wasser-Partnerschaften schon gut da. In Anbetracht zunehmender Dürre- und Starkregen-Ereignisse und der nach wie vor inakzeptablen Nitratkonzentrationen im Grundwasser brauchen wir aber schnell noch deutlich mehr dieser Partnerschaften«, fordert Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission.
- Zwischen zwei und drei Milliarden Menschen sind schon heute mindestens einen Monat pro Jahr von Wasserknappheit betroffen.
- Die Zahl der in Städten lebenden Menschen, die damit konfrontiert sind, wird von 930 Millionen im Jahr 2016 auf voraussichtlich 1,7 bis 2,4 Milliarden im Jahr 2050 wachsen. Die zunehmende Häufigkeit extremer und langanhaltender Dürren belastet auch die Ökosysteme, was gravierende Folgen für die Pflanzen- und Tierwelt hat.
- Wasserknappheit wird in Zukunft auch dort auftreten, wo die Ressource heute noch im Überfluss vorhanden ist.
Weltweit treibt ein Zusammenspiel von Bevölkerungswachstum, sozioökonomischer Entwicklung und veränderten Verbrauchsmustern den jährlichen Anstieg des Wasserverbrauchs um 1% an. Hinzu kommen Probleme bei der Wasserqualität. Wird sie in Ländern mit niedrigen Einkommen oft durch unzureichende Abwasseraufbereitung beeinträchtig, stellt in Industriestaaten die Belastung des Grundwassers durch die Landwirtschaft ein ernstes Problem dar.
Der Weltwasserbericht fordert die Staatengemeinschaft auf, sich kooperativen Ansätzen der Wasserbewirtschaftung zu öffnen, und hebt besonders erfolgreiche Modelle wie Wasserfonds hervor. Dabei investieren flussabwärts gelegene Nutzer wie Städte, Unternehmen und Versorger gemeinsam in den Schutz flussaufwärts gelegener Lebensräume, um Menge und Qualität des von ihnen bezogenen Wassers zu verbessern. Positivbeispiele nachhaltiger Wasserwirtschaft finden sich laut den Autor*innen des Berichts entlang des Tana-Nairobi-Flusses, der 95% des Süßwasserbedarfs von Kenias Hauptstadt Nairobi deckt und 50% der Elektrizität des ostafrikanischen Landes liefert.
Bis 2030 soll jeder Mensch Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu Toiletten haben. So fordern es die UNO-Nachhaltigkeitsziele. Fachleute sind wenig zuversichtlich, dass dieses Ziel in den noch verbleibenden sieben Jahren bis 2030 erreicht wird. Umso mehr müsse die Staatengemeinschaft daransetzen, dass man sich wenigstens in die richtige Richtung bewegt. Allerdings fehlen für die Nachhaltigkeitsziele für sämtliche Regierungen verbindliche Vorgaben. Im Wasseraktionsplan geht es daher um Selbstverpflichtungen jeder einzelnen Regierung.
Genannt werden weit über 100 einzelne Vorhaben. Vom Schutz des Wassers, zu dem sich Regierungen verpflichten, bis zu mehr internationaler Zusammenarbeit bei der Wassernutzung. Von riesigen Investitionen, etwa für sanitäre Einrichtungen, bis zum Kampf gegen Wasserverschwendung und Wasserverschmutzung und zum Klimaschutz.
Mariana Mazzucato, Autorin des ersten Weltwasserberichts, schlägt in einem Interview mit ZEIT-ONLINE wegen der existenziellen Herausforderung eine Zusammenarbeit zwischen privaten staatlichen Institutionen vor: »Ich glaube, eine Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren könnte ein Weg sein – vorausgesetzt, wir knüpfen die Verträge an Konditionen, die für die Allgemeinheit gut sind. Wir müssen sichergehen, dass diese Verbindung symbiotisch und nicht parasitär ist, wie oft in der Medizin: Pfizer hat beispielsweise massiv von öffentlichen Investitionen profitiert, die Gewinne dann aber allein eingestrichen. Das müssen wir in der Wasserwirtschaft dringend verhindern. Es gibt genügend Beispiele, wo Privatisierungen dramatische Folgen für die Bevölkerung haben: Großbritannien etwa hat seine Wasserindustrie in den Achtziger- und Neunzigerjahren privatisiert, heute macht sie riesige Gewinne und nimmt zugleich sehr hohe Preise für den Liter Wasser«.
Zu Recht weist Mazzucato darauf hin, dass die südlichen Länder am meisten unter Dürren und Wasser in schlechter Qualität leiden – obwohl sie am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich sind, die Dürren und Wassermangel immer häufiger verursacht. Diese Verantwortung muss global getragen werden. »Wünschenswert wären beispielsweise Standards für nachhaltige Investments – diese müssen künftig unbedingt berücksichtigen, ob ein Fonds oder eine Aktie das globale Wasserangebot verschlechtert oder verbessert. Alle müssen dieses Prinzip verinnerlichen – regionale Banken genauso wie die Weltbank. Wasserpolitik muss, genauso wie die Klimakrise, über alle Ministerien und Regierungen hinweg als übergeordnete Aufgabe verstanden werden.«
Bolivien hat Weltwasserkonferenz einen zwölf Punkte umfassenden Vorschlag vorgelegt, um die weltweite Wasserkrise anzugehen und die Versorgung zu sichern. Neben der Forderung, das Recht auf Wasser als Menschenrecht zu bekräftigen, sollten die Mitgliedsstaaten anerkennen, »dass Wasser das Zentrum des Lebens ist«. Entsprechend müssten Flüsse, Seen, Wassereinzugsgebiete und »Mutter Erde« als Rechtssubjekte etabliert und auf ihre Verwundbarkeit sowie die gegenwärtige Bedrohung ihrer Existenz in allen Teilen der Welt hingewiesen werden.
- Ein ständiger zwischenstaatlicher Mechanismus zur Förderung von Wasserbewirtschaftung, -management und -schutz, Armutsbekämpfung und integraler Entwicklung soll im Rahmen der Erfüllung international vereinbarter wasserbezogener Ziele eingerichtet werden und ihre Umsetzung einfordern. Außerdem soll ein UN-Sondergesandter für Wasser eingesetzt werden.
- Die Weltgemeinschaft müsse zudem die Autorität der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung der Wasserversorgung und der sanitären Grundversorgung durch lokale Gemeinschaften und indigene Völker anerkennen.
- Bolivien fordert einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer, damit diese die notwendigen finanziellen Mittel für die Wasserproduktion und den Zugang zu Wasser, die Anpassung an den und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel einsetzen können. Die Industriestaaten und die internationalen und multilateralen Organisationen werden aufgefordert, mehr finanzielle Mittel zur Bewältigung der Folgen der Wasserkrise bereitzustellen.
- Die Generalversammlung sollte auch die Notwendigkeit feststellen, dass alle Länder Gesetze verabschieden oder aktualisieren, um den Schutz und die Erhaltung von Wasserquellen sowie den gleichberechtigten Zugang für alle Nutzungen und Lebewesen zu gewährleisten und die Bevölkerung dabei einzubeziehen.
Die Anzeichen, dass künftig das Wasser knapper wird, treten immer deutlicher zutage. Der Trend hin zu einer Wasserverknappung hat sich in den letzten Jahren auch bundesweit verfestigt. So fehlte in den Trockenjahren 2018 und 2020 fast ein Drittel des üblichen Wasservorrats. Laut Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) lag darin auch der Grund, nun seitens des Bundes eine Nationale Wasserstrategie vorzulegen. Diese beschäftigt sich nicht nur mit dem Wassermangel, sondern auch mit Krisensituationen durch Starkregen und damit verbundene Hochwasser. Auch die Reinhaltung der Gewässer spielt in dem neuen Strategiepapier eine Rolle, dass bis 2050 umgesetzt sein soll.
Zahlreiche Maßnahmen will Lemke bis 2030 verwirklichen. Dazu gehören unter anderem, die Erforschung von Methodiken zur Wassereinsparung, für die Einleitung von Arzneimittel in Gewässer einen Schwellenwert einzuführen oder die Wasserpreise so weiterzuentwickeln, dass sie der Wertigkeit des kostbaren Gutes entsprächen. Dieses Ziel impliziert für die Bevölkerung höhere Wasserpreise, zumal die Wasserversorger bereits heute hohe Investitionen in die Versorgungssicherheit tätigen.
Der durchschnittliche tägliche Wasserbedarf liegt in Deutschland laut dem Umweltbundesamt bei 130 Litern pro Kopf der Bevölkerung. Dafür bezahlen die Verbraucher durchschnittlich pro Liter 0,2 Cent. Sowohl das Umweltministerium wie auch die Wasserversorger betonen, dass dies nicht so bleiben könne. Viele Hauptnutzer des kostbaren Trinkwassers, wie Industrie und Bergbau, die drei Viertel des geförderten Wassers nutzen, beziehen das Wasser bisher umsonst oder für sehr wenig Geld. So bezahlen die Hersteller von Mineralwasser im Südwesten Deutschland ca. 5,1 Cent für 1.000 Liter.
Es gilt als sicher, dass die Konflikte um Preis und Verfügbarkeit von Wasser zunehmen werden. Die verfügbare Menge sinkt, während der Bedarf durch die heißen Sommer und durch das Bevölkerungswachstum zunimmt. Auch kommunal kommen große Herausforderungen auf Städte und Gemeinden zu. Optimierte Kläranlagen sowie dringend notwendige Reparaturen von Versorgungsleitungen sind hier nur zwei Beispiele für große Investitionen, die sich zwangsläufig auch auf die Preisgestaltung von Trinkwasser niederschlagen werden.
Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Wasservorkommen gehen an der Bundesrepublik nicht spurlos vorbei. In vielen Regionen wird das Grundwasser knapp, auch wenn der Wasserverbrauch in Deutschland zuletzt insgesamt zurückging. Die Versorgungsunternehmen »brauchten in den Jahren 1991 bis 2016 trotz einer leichten Erhöhung von 2013 auf 2016 insgesamt weniger Wasser, um den Trinkwasserbedarf zu decken«, schreibt das Umweltbundesamt.
Und die Lage spitzt sich mancherorts weiter zu. So sinken in vielen Regionen die Grundwasserspiegel, der Verbrauch steigt jedoch in einigen. Wie das spendenfinanzierte Medium »Correctiv« schon 2022 aufzeigte, das für investigativen Journalismus steht, betrifft das etwa die Regionen Berlin, Hamburg und Brandenburg. Ebenfalls unklar ist oft, wie viel Grundwasser die Landwirtschaft insbesondere bei zunehmenden Dürreperioden aus dem Boden pumpt, Mengen, die bislang nicht kontrolliert werden. Auch im Bereich der Industrie werden täglich Hunderte Millionen Liter Wasser abgepumpt. So nutzen einzelne Unternehmen wie der Energiekonzern RWE so viel Wasser wie mehrere deutsche Großstädte zusammen.
Wasserkonflikte entstehen so immer häufiger auf lokaler Ebene. Gelöst werden müssen diese dann in kommunalen Behörden oder vor Gericht. Auch weil in der von der Bundespolitik im vergangenen Sommer entworfenen »Nationalen Wasserstrategie« keine dringend benötigte Vorrangregelung festgelegt ist. »Wasserversorgungskonzepte« sollen erst ab 2030 umgesetzt werden. Das könnte zu spät sein.
Das Tauziehen um Wasser wird sich in Zukunft jedoch weiter verschärfen. Die »Correctiv«-Recherchen zeigen, dass in den vergangenen zehn Jahren die gerichtlichen Konflikte um Wasser bereits in elf von 16 Bundesländern zugenommen haben. Vor Gericht stehen sich ganz unterschiedlichen Akteure gegenüber: die produzierende Industrie, die Landwirtschaft, die Umwelt und die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Kommunen klagen gegen Konzerne, Landwirte kämpfen für die Bewässerung ihrer Felder, und nicht selten geht es um die Kosten von Wasser, wenn Unternehmen versuchen, Geld zu sparen. In Hessen, Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt klagen Menschen immer häufiger gegen Behörden, um gegen Entnahme-Rechte vorzugehen. Der Streit ums Wasser ist längst in Deutschland angekomme.
Björn Radke, 26.3.23, sozialismus.de