Das streikende Deutschland
Eine Übersicht über aktuelle Arbeitskämpfe
Der neunte Streik der Gewerkschaft der Lokführer steht derzeit klar im Vordergrund: Doch nicht nur die Zugführer streiken: Auch Postboten, Erzieherinnen, Geldtransporteure und Beschäftigte des Einzelhandels befinden sich im Ausstand. Eine Übersicht.
Streiks in den Kitas fortgesetzt
Am heutigen Mittwoch sind in mehreren Bundesländern die unbefristeten Streiks in den Kindertagestätten fortgesetzt worden. In Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt blieben viele kommunale Kitas geschlossen.
In Brandenburg haben die Erzieher nach Angaben der Gewerkschaft ver.di im Landkreis Oberspreewald-Lausitz ihre Arbeit niedergelegt. Kommunale Kitas in den Städten Lübbenau und Vetschau sowie in der Gemeinde Altdöbern blieben geschlossen. Geplant ist, diese Aktion dort bis einschließlich Freitag fortzusetzen.
In Saschsen-Anhalt sind die Einrichtungen in Dessau-Roßlau, Köthen und Halle betroffen, wie der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Alexander Pistorius, mitteilte. Etwa 400 Beschäftigte der Sozial- und Erziehungsdienste werden am Vormittag zu einer Kundgebung in Halle erwartet. Dort wollen sie laut GEW den Schulterschluss mit den Eltern suchen und mit ihnen ins Gespräch kommen. »Auch Eltern haben Verständnis für den Streik«, sagte Pistorius. Das werde oft vergessen.
Die Ausstände fanden auch in sächsischen Kindertagesstätten ihre Fortsetzung. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di sind diesmal Kita-Mitarbeiter in Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Plauen und Freiberg zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. »Die Leute sind motiviert und die Streikbereitschaft ist hoch«, sagte ver.di-Sprecher Philipp Motzke. Hunderte Beschäftigte wollen sich am Mittag erneut in Leipzig zu einer gemeinsamen Kundgebung der Gewerkschaften versammeln, dieses Mal vor dem Rathaus.
Im Bundesland Thüringen legen weiterhin die Erzieher in Erfurt, Gotha, Weimar und Jena sowie in drei Landkreisen die Arbeit nieder, wie GEW-Sprecher Michael Kummer mitteilte. Schwerpunkt der Proteste ist diesmal die Wartburgstadt Eisenach, wo sich die Erzieher am Vormittag zu einer Streikversammlung treffen wollen. Laut GEW werden etwa 200 Beschäftigte erwartet, die sich am Morgen mit Bussen auf den Weg nach Eisenach gemacht haben.
Unterdessen plant ver.di weitere Streikaktionen nach Pfingsten. Diese würden sofort ausgesetzt, wenn die kommunalen Arbeitgeber ein akzeptables Angebot vorlegen würden. »Es ist Zeit, wieder miteinander zu reden. Die Gewerkschaft sollte an den Verhandlungstisch zurückkehren«, erklärte der Geschäftsführer Kommunaler Arbeitgeber Brandenburg (KAV), Klaus Klapproth.
Ver.di fordert eine Aufwertung der Sozial- und Erzieherberufe. Dies sollte durch eine höhere Eingruppierung in den Tarifvertrag öffentlicher Dienst erfolgen. Dies würde im Durchschnitt zu einer Gehaltserhöhung von zehn Prozent führen. Das ist aus Sicht der Kommunalen Arbeitgeber nicht bezahlbar.
In der vergangenen Woche hatten etwa 2000 Beschäftigte von 450 kommunalen Einrichtungen in Brandenburg die Arbeit niedergelegt. In Berlin werden weiterhin sieben Kitas und fünf Horte des Studentenwerks bestreikt.
Neue Tarifrunde bei der Deutschen Post begonnen
Bei der Deutschen Post wurde bis zum heutigen Mittwochvormittag der Warnstreik fortgesetzt. Derzeit haben Gewerkschaft und Arbeitgeber einen weiteren Versuch zur Lösung des festgefahrenen Tarifkonflikts gestartet. Nach vier erfolglosen Runden traten ver.di und Management am Mittwoch in Königswinter bei Bonn zu weiteren Gesprächen zusammen. Für die rund 140.000 Beschäftigten fordert die Gewerkschaft kürzere Arbeitszeiten sowie 5,5 Prozent mehr Geld. Eine Lösung des Tarifkonflikts gilt angesichts der zugespitzten Lage als extrem schwierig. Für die Verhandlungen wurden zwei Tage angesetzt.
Verschärft hatte sich Tarifstreit in den vergangenen Tagen nicht allein durch Warnstreiks. Ver.di warf der Post vor, Beschäftigte eingeschüchtert und Beamte als Streikbrecher eingesetzt zu haben. Am Dienstag hatte die Gewerkschaft beim Arbeitsgericht Bonn eine einstweilige Verfügung beantragt, um gegen den unzulässigen Einsatz von Beamten während der Streiks vorzugehen. Darüber soll am Dienstag kommender Woche verhandelt werden. Das Unternehmen wies die Anschuldigungen zurück und forderte den Tarifpartner auf, den Konflikt am Verhandlungstisch zu lösen.
Streik der Geldtransporteure in Brandenburg fortgesetzt
Im Tarifkonflikt beim Werttransport-Unternehmen Prosegur in Potsdam ist der Streik am Montag wie geplant fortgesetzt worden. Allerdings setzt die Gewerkschaft ver.di auf eine Schlichtung. Am Montag sei der Arbeitgeberseite ein entsprechender Vorschlag zum Prozedere von ver.di-Verhandlungsführer André Pollmann übermittelt worden, hieß es. Bereits am Freitag hatte sich eine Streikversammlung mit knapp 150 Beschäftigten für ein Schlichtungsverfahren ausgesprochen.
Prosegur zeigte sich aufgeschlossen. »Wir sind gesprächsbereit«, teilte ein Unternehmenssprecher am Montag mit. Prosegur werde eine Schlichtung als Alternative ernsthaft prüfen, hieß es weiter.
Anfang vergangener Woche war ein drittes Spitzengespräch mit den Arbeitgebern ergebnislos verlaufen. Die Gewerkschaft ver.di verlangt statt der angebotenen 0,65 Euro einen Zuschlag von einem Euro pro Stunde. Die Auswirkungen des Streiks fallen laut Gewerkschaft unterschiedlich aus: An einigen Geldautomaten gebe es in Berlin und Brandenburg kein Geld mehr. Über einen Notbetrieb würde Geldautomaten aber weiter beliefert.
Streiks im bayerischen Einzelhandel
Ebenfalls am Montag ist der Streik im bayerischen Handel fortgesetzt worden. Es wurden die Beschäftigten der Kaufland-Betriebe in München Ollenhauerstr., Bad Tölz, Moosbrug, Erding, Regensburg, Weiden sowie des H&M Zentrallagers in Großostheim aufgerufen. Bereits in den letzten beiden Wochen war es zum Streikauftakt im bayerischen Einzelhandel gekommen. Laut ver.di werde es in den kommenden Tagen zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen kommen.
Urabstimmung zum Charité-Streik
Einen unbefristeten Streik könnte es bald in der Berliner Charité geben. Mit dem Verschicken der Abstimmungs- und Infobriefe hat am Mittwoch an der Berliner Charité die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik begonnen. Die Gewerkschaft ver.di hat ihre Mitglieder dazu aufgerufen, bis zum 5. Juni ihre Stimmen dazu abzugeben. Die drei Wahllokale an den einzelnen Charité-Standorten seien ab kommenden Dienstag geöffnet, teilte Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel mit.
Damit gestreikt werden kann, müssten sich mindestens 75 Prozent der Mitglieder für den Arbeitskampf aussprechen. Angaben darüber, wie viele Mitglieder die Gewerkschaft unter den rund 13.000 Beschäftigten der größten deutschen Universitätsklinik hat, macht ver.di nicht. In dem Konflikt geht es vor allem um Forderungen der Charité-Pflegekräfte nach mehr Personal und besseren betrieblichen Normen. Agenturen/nd