»Das ist ein Ergebnis der Erpressungspolitik«
Hessen und Frankfurt am Mai haben die Mehrheit bei der Fraport AG – und die will 14 griechische Flughäfen übernehmen. Ein Gespräch mit Janine Wissler
Griechenland soll seine Staatsbetriebe privatisieren und so insgesamt 50 Milliarden Euro erwirtschaften, um Schulden zu bezahlen. Die Frankfurter Fraport AG steht bereit, um ausgerechnet die 14 Flughäfen zu übernehmen, die durch das Touristenaufkommen am gewinnbringendsten sind. Wie kann ein für Griechenland derart verhängnisvoller Deal zustande kommen?
Dass Griechenland nun sein Tafelsilber verkaufen muss, ist ein Ergebnis der Erpressungspolitik, die in den vergangenen Wochen insbesondere der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegenüber der griechischen Regierung betrieben hat. Gegen jede volkswirtschaftliche Vernunft soll jetzt das griechische Staatseigentum unter Wert verscherbelt werden – zugunsten ausländischer Konzerne.
»Das ist ein Modell, das so noch nirgendwo in Europa angewandt wurde. Das passt eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland«, hat der griechische Infrastrukturminister Christos Spirtzis festgestellt. Wie positioniert sich die hessische schwarz-grüne Landesregierung dazu?
Besonders pikant ist, dass die Fraport AG zu 51 Prozent der Stadt Frankfurt am Main und dem Land Hessen gehört. Eine tolle Privatisierung! Die Landesregierung betreibt also die Ausplünderung Griechenlands mit. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat sich vor der Presse damit gebrüstet, dass er sich in Brüssel bei Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für das Geschäft eingesetzt hat. Das bedeutet, dass ein Staatskonzern bzw. ein Konzern, der sich mehrheitlich in öffentlichem Besitz befindet, den Griechen ihre profitablen Flughäfen abnimmt und sie mit den unrentablen alleine lässt.
Neben Stadt und Land ist auch die Lufthansa mit knapp zehn Prozent an Fraport beteiligt, die über ihre Consulting-Tochter den EU-Privatisierungsfonds berät. Das stinkt alles zum Himmel. Dieses Geschäft ist nur ein plakatives Beispiel für die verheerenden Forderungen der Euro-Staaten an Griechenland.
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Wie ist das aus wirtschaftspolitischer Sicht zu beurteilen?
Dieser Handel ist völliger Unsinn. Zum einen sind wir als Linke der Meinung, dass Flughäfen als Teil der öffentlichen Infrastruktur sowieso in öffentliche Hand gehören. Sie müssen nicht profitabel sein – aber wenn sie es sind, dann ist das gut, um defizitäre Infrastruktur auszugleichen. Nur die profitablen Flughäfen zu verscherbeln, ist völlig irrsinnig. Da der momentan zu erzielende Verkaufspreis krisenbedingt weit unter Wert liegen wird, ist es nicht einmal kurzfristig ein gutes Geschäft.
Welche Position nehmen denn hierzu Bündnis 90/Die Grünen in der hessischen Landesregierung ein?
Von den Grünen ist keine Intervention zu erwarten. Sie sind in flughafenpolitischen Fragen mittlerweile Erfüllungsgehilfen ihres Koalitionspartners CDU. Sie ziehen sich auf die »unternehmerische Freiheit« des börsennotierten Fraport-Konzerns zurück, in die man sich auch aus aktienrechtlichen Gründen nicht einmischen dürfe. Das erleben wir bei den Fragen Fluglärm, Nachtflugverbot und Flughafenausbau immer wieder. Diese Selbstentmachtung der Politik ist natürlich auch Folge der Tatsache, dass hier bei uns öffentliches Eigentum, nämlich der Flughafen, teilprivatisiert und an die Börse gebracht wurde.
Und welche Möglichkeiten gibt es seitens der hessischen Linken und Sozialdemokraten, Einfluss zu nehmen?
Der Einfluss der Oppositionsparteien auf die Geschäftspolitik von Fraport ist leider begrenzt. Wir können vor allem parlamentarisch und außerparlamentarisch Druck machen und darauf pochen, dass eine mehrheitliche öffentliche Beteiligung nicht gegen Griechenland eingesetzt werden darf. Das ist die Position der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag. Die SPD fällt dabei als Bündnispartner aus: Erstens weil sie die GriechenlandPolitik der Bundesregierung unterstützt und zweitens, weil sie sich auch in anderen Fragen nie gegen die Interessen von Fraport gestellt hat.
jw, 27.07.15
Deutsche Interessen speziell abgesichert
Übernahme von griechischen Regionalflughäfen durch Fraport im Memorandum der Gläubiger extra fixiert / Grünen-Politiker Giegold: »bizarr«
Hat sich die Bundesregierung in den Verhandlungen mit Griechenland die Übernahme der regionalen Flughäfen durch das deutsche Staatsunternehmen Fraport extra absichern lassen? In der Grundsatzeinigung zwischen den Vertretern der Gläubiger und der SYRIZA-geführten Regierung über die umstrittenen Auflagen für ein drittes Kreditprogramm – dem so genannten Memorandum – werden ausdrücklich »unwiderrufliche Schritte« von Athen verlangt, die regionalen Flughäfen an den bisherigen Gewinner des Bieterverfahrens zu verkaufen: die Frankfurter Fraport AG.
Mitte Februar hatte die SYRIZA-geführte Regierung den Verkauf gestoppt. »Der Vertrag wurde noch nicht ratifiziert und wir haben darum gebeten, ihn bis zu einer Überprüfung auf Eis zu legen«, so damals die Worte von Staatsminister Alekos Flambouraris. Es müsse erst sichergestellt werden, dass das Vorhaben »am besten dem allgemeinen Interesse dient«.
Das tut es offenbar nicht, wie der zuständige griechische Infrastrukturminister Christos Spirtzis unlängst gegenüber der ARD erklärte. »Bei dieser Privatisierung soll der griechische Staat 14 gewinnbringende Flughäfen verkaufen, und die anderen 30 Flughäfen, die keinen Gewinn machen und subventioniert werden müssen, bleiben beim griechischen Staat.« Dies sei »ein Modell, das so noch nirgendwo in Europa angewandt wurde. Das passt eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland«.
Interessant auch: Die Lufthansa Consulting hatte den griechischen Privatisierungsfonds HRADF beraten, der das Verkaufsverfahren an Fraport organisiert hatte. Die Lufthanse wiederum ist an dem Flughafenbetreiber mit knapp 9 Prozent beteiligt. Fraport ist mittlerweile an mehr als 35 Standorten in Deutschland und im Ausland tätig.
Auch in der Politik wurde Druck gemacht – auf Seiten von Fraport. Im Sommer machte sich dem vernehmen nach Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in Brüssel bei der EU-Kommission für die Fortsetzung des Verkaufs an Fraport stark. Das Bundesland ist mit über 31 Prozent Großaktionär an dem Konzern.
Der Grünen-Politiker Sven Giegold nennt die Festlegung auf einen Käufer in dem Memorandum zwischen der Regierung in Athen und den Gläubigern »bizarr«. Dies auch deshalb, weil in der Vereinbarung sonst festgelegt ist, dass die Frage, welche öffentlichen Vermögensgüter an den neuen Privatisierungsfonds überschrieben werden sollen, erst bis März 2016 geklärt wird. Dies hatte des Bundesfinanzministerium in einem Schlagzeilen verursachenden Papier sogar selbst kritisiert. Umso bemerkenswerter sei es, dass »der Eigentumswechsel der regionalen Flughäfen an das deutsche Staatsunternehmen Fraport in der Einigung mit Griechenland speziell abgesichert ist«, so der Europaabgeordnete.
Kritik kommt auch aus dem Kreis der deutschen Griechenland-Solidaritätsarbeit. »Hat die deutsche Regierung sich hier griechisches Tafelsilber gesichert?«, wird dort gefragt. »Geht es um deutsche Wirtschaftsinteressen am griechischen Tourismus?«