Anmerkungen zu den Jahresberichten 2012 – 2016 der Sparkasse Gießen
Bilanzsumme, Kassenbestand, Guthaben Bundesbank:
Gegenüber 2015 ist die Bilanzsumme um 19 Mio. € auf 2,15 Mrd. € gestiegen, das sind 0,9%. Der Kassenbestand hat sich von 25,5 Mio. € auf 27,1 Mio. € erhöht. Das Guthaben bei der Deutschen Bundesbank ist trotz der Strafzinsen von 16,4 Mio. € im Jahr 2015 auf 85,3 Mio. gestiegen.
Negativzinsen
Die Höhe der Strafzinsen bei der Bundesbank wird von allen Sparkassen maßlos übertrieben.
2016 wurden von der Sparkasse Gießen 28.000 € entrichtet (2015: 13.000 €).
Als einzige Sparkasse wird von der Sparkasse Deggendorf die Aufteilung zwischen Strafzinsen an die Europäische Zentralbank (EZB)und Strafzinsen an andere Kreditinstitute genannt: 3.000 € gingen von dort an die EZB (2015: 2.000 €) und 11.000 € gingen an andere Kreditinstitute(Vorjahr: 0 €).
Das bedeutet, dass nur ein verschwindend kleiner Bruchteil (21%) an die EZB geht!
Im Frühjahr 2017 wurden in der Pressekonferenz des Deutschen Sparkassenverbands für 2016 rund 500 Mio. € genannt, die 2016 als Strafzinsen von den Deutschen Sparkassen an die EZB zu zahlen waren. Süddeutsche Zeitung und BILD brachten dazu große Artikel. Nun stellt sich heraus, dass hier riesige Fake News verbreitet wurden. In Wirklichkeit stellen sich die Sparkassen als Verschiebebahnhof heraus, die sich gegenseitig Kosten und Erträge zuschanzen.
Sehr hoch sind aber in Gießen die Negativzinsen in Höhe von 141.000 € (2015: 66.000 €), die von den eigenen Kunden bzw. anderen Kreditinstituten bei einer Geldanlage erhoben werden. Leider fehlt die Aufteilung nach Kunden (Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen) und den anderen Kreditinstituten. Das sollte vom Verwaltungsrat nachgefragt werden.
Die Negativzinsen wurden eingeführt, um die – wie oben gezeigt wurde – (minimalen) Strafzinsen der Bundesbank auszugleichen. In Gießen ist daraus ein neues (lukratives) Geschäftsfeld geworden.
Damit übersteigen die Strafzinsen an die Bundesbank bei weitem die den eigenen Kunden auferlegten Negativzinsen. Nach Ansicht eines Bankenfachmanns ist „das doch ein Fall für den Staatsanwalt: Die eigenen Kunden sind um maximal 141.000 € in ihrem Vermögen geschädigt, also betrogen worden.“
Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und Kunden
Die Forderungen an Kreditinstitute (Aktiva 3) sind bei jetzt 44 Mio. € gegenüber 2015 mehr als gedrittelt (2015: 135 Mio. €). Andere Kreditinstitute haben damit ihre Schulden bei der Sparkasse gesenkt. Umgekehrt hat die Sparkasse Gießen die Schulden bei anderen Kreditinstituten um 63 Mio. € auf 118 Mio. € gesenkt (= 35%).
Die Forderungen an Kunden (Kredite) sind um 60 Mio. € auf 1,273 Mrd. € gestiegen, die Anleihen und Schuldverschreibungen um 14 Mio. € auf 588 Mio. € gefallen.
Die Spareinlagen der Kunden sind mit 325 Mio. € ebenfalls um 74 Mio. € gesunken. Andere Verbindlichkeiten gegenüber Kunden sind um 133 Mio. € auf 1,458 Mrd. € gestiegen.
Zinsüberschuss
Der Zinsüberschuss als Saldo der Zinserträge minus der Zinsaufwendungen ist mit 42,9 Mio. € um 1,3 Mio. € niedriger als 2015. Das geringe Minus konnte niedrigere Personalkosten und Steuern ausgeglichen werden.
Im langfristigen Vergleich (Zahlen ab 2007) fällt auf, dass der Zinsüberschuss seit 2009 relativ konstant bei 42-46 Mio. E liegt. 2008 und 2007 betrug er nur rund 35 Mio. €.. Der Sprung 2009 um 10 Mio. € ist unerklärlich.
Personalkosten/Mitarbeiter/Abschreibungen/Steuern
Die Personalkosten sind gegenüber 2015 um 0,4 Mio. € auf 29,8 Mio. € gefallen (= 1,3%). Die Anzahl der Mitarbeiter fiel von 556 auf 550. Die sonstigen Verwaltungsausgaben sind ebenfalls um 0,4 Mio. € auf 15,5 Mio. € gesunken. Im langfristigen Vergleich ab 2007 bis 2016 ergeben sich keine großen Veränderungen. Die Personalkosten sind zwischen 2007 und 2016 um 5 Mio. € (= 20%) gestiegen.
Abschreibungen auf Forderungen gab es keine.
Gegenüber 2015 sind die Steuern von 6,0 Mio. € um 1,3 Mio. € auf 4,7 Mio. € gefallen.
Berechnung Eigenkapital, Rücklagen, Jahresüberschuss und Verteilung:
Der Verwaltungsrat hat unbeirrt von den aktuellen Ereignissen (Düsseldorfer Bescheid) seine bisherige Marschrichtung im Prinzip beibehalten und nichts ausgeschüttet.
In Düsseldorf lag das Verhältnis Zuführung Fonds zu Bruttogewinn bei ca. 75%.
Dort wurde die Bilanz bekanntlich für rechtswidrig erklärt, da der Sparkassenvorstand wegen der eigenmächtigen Zuführung zum Fonds die Rechte des Verwaltungsrats unterlaufen hatte. Der Verwaltungsrat wurde gerügt, weil er sich das hatte gefallen lassen.
(In Düsseldorf mussten letztlich von 100 Mio. Gewinn nur 75 Mio. in den Fonds eingezahlt werden, 25 Mio. €
erhielt die Stadt).
2016 wurden wieder rund 15 Mio. € an die Stadt Düsseldorf ausgeschüttet.
Der Fonds für allgemeine Bankrisiken wurde vom Sparkassenvorstand mit 8,6 Mio. € dotiert, 77% mehr als 2015.
Das Verhältnis Zuführung zum Fonds zu Bruttogewinn lag daher 2016 bei 79,9%.
In Gießen wurde nichts ausgeschüttet, obwohl der Fall genau so lag (79,9% Anteil) wie in Düsseldorf. Insofern wurden die Träger der Sparkasse Gießen – wäre nach dem Düsseldorfer Modell und dem Hessischen Sparkassengesetz gehandelt worden – 2016 um rund 7,1 Mio. € gebracht (2/3 des Bruttogewinns von 10,7 Mio. €). Die Berechnung der Sparkasse zur Gewinnausschüttung auf der Basis des Jahresüberschusses (2,167 Mio. €) ist wegen Düsseldorf übrigens rechtswidrig. Die tatsächliche Ausschüttung von 257.000 € ist eigentlich unerklärlich.
Zum Geschehen in Düsseldorf vgl. die Anlage Geschäftsbericht 2016 – Nachtragsbericht. An zwei verschiedenen Stellen des Geschäftsbericht stehen Ausführungen dazu.
Eigenkapital, Kapitalquoten, Risikokapital, maximale Anforderungen der BaFin
Das Eigenkapital insgesamt ist gleich geblieben. In dem Maße wie das Eigenkapital um 7 Mio. € stieg, wurde das Ergänzungskapital um 7 Mio. € abgebaut. Das Eigenkapital insgesamt beträgt nach wie vor 261 Mio. €.
Die Risikogewichteten Aktiva sind allerdings überproportional um 72 Mio. € gestiegen. Damit ist die für die Maßnahmen der BaFin entscheidende Gesamtkapitalquote von 24,00 im Jahr 2015 auf 22,53% im Jahr 2016 gefallen. Die Ausschüttung von 7,1 Mio. € hätte die Kapitalquote nur geringfügig auf 21,92% reduziert. Somit liegt kein Grund zur Ablehnung einer Ausschüttung vor.
Die Maßnahmen der BaFin zur Vermeidung einer erneuten weltweiten Bankenkrise haben den bisherigen fast unendlich großen Handlungsspielraum der Sparkassen eingeschränkt. Die Mindestanforderung an die Kapitalquote von 8% wird schrittweise um jährlich 0,625%-Punkte angehoben.
Das Zinsänderungsrisiko (SREP-Zuschlag) wurde 2016 festgelegt und muss jährlich von jeder Sparkasse individuell berechnet werden. Je nach Ergebnis beträgt der Zuschlag zwischen 0 und 2,6%-Punkten. Der Wert muss im Offenlegungsbericht veröffentlicht werden.
Die Sparkasse Gießen hat sich vom /uschlag 2015 (1,9%) auf 1,4% in 2016 verbessert. Dieser Wert wird für die Folgejahre 2017 ff. unterstellt.
Insofern muss die Sparkasse 2016 eine Gesamtkapitalquote von 10,025 % nachweisen. Dieser Wert liegt weit unterhalb der tatsächlichen Quote (22,5%). Es kann also eine Gewinnausschüttung erfolgen.
Möglicherweise verlangt die BaFin noch einen Zuschlag zur Gesamtkapitalquote, den sog. antizyklischen Puffer. Er beträgt 2,5%-Punkte. Dieser muss rechtzeitig bekanntgegeben werden, d.h. er kann erst ab 2018 verlangt werden.
Somit ergibt sich für die Sparkasse für 2019 schlimmstenfalls eine maximale Gesamtkapitalquote von 14,4%. Auch diesen Wert übersteigt die Sparkasse mit 22,5% bereits jetzt bei weitem. Noch ein Grund für eine Gewinnausschüttung!
Nicht ausgenutzter Spielraum für Kredite
Mit dem jetzt vorhandenen Eigenkapital (262 Mio. €) kann die Sparkasse Gießen 2017 insgesamt 1,3 Mrd. € an neuen Krediten ausreichen, um den Anforderungen der BaFin zu genügen und ohne das Eigenkapital erhöhen zu müssen. Der jetzige Bestand der risikogewichteten Aktiva liegt bei 1,2 Mrd. €, er kann also problemlos verdoppelt werden. Nimmt man den Worst Case-Wert für 2019 (14,4%) sind es 655 Mio. zusätzliche Risikogewichtete Aktiva, die durch das vorhandene Eigenkapital gedeckt sind.
Vorstandsgehälter usw.
Die Sparkasse Gießen hat drei Vorstände.
Deren Bezüge stiegen gegenüber 2015 um 10.000 € auf 803.000 €.
Die Pensionsbezüge und Hinterbliebenenrenten sind von 2012 (244.000 €) auf 401.000 € im Jahr 2016 gestiegen. Der Anteil an den Vorstandsbezügen beträgt 50%
Die Pensionsrückstellungen liegen 2016 bei 6,3 Mio. €. 2012 waren es 3,1 Mio. €..
Die Vergütung der 14 Verwaltungsräte ist nur leicht gestiegen. Der Verwaltungsrat tagte viermal im Jahr.
Bei der Kreditgewährung an Vorstände und Verwaltungsratsmitglieder ist die Höhe aufgefallen. Der Stadtsparkasse München – eine der größten Sparkassen bundesweit – wurde diesbezüglich von Christian Ude in seiner Amtszeit als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München und Verwaltungsratsvorsitzenden bis 2014 diesbezüglich Mäßigung auferlegt. Es sollte kein Verdacht auf Vergünstigungen irgendwelcher Art aufkommen.
Landsberg, den 1.10.2017
Dr. Rainer Gottwald
Gießen-Bilanzanalyse-2012-2016
Präsentation_Sparkasse_Gießen-2017-10-05