Bundestag beschließt (k)einen Mindestlohn von 8,50 Euro
Der Bundestag hat heute das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eingebrachte Gesetz zum Mindestlohn beschlossen, das einen Mindestlohn von 8,50 Euro ab 2015 vorsieht. Die Politiker der Großen Koalition hängen sich damit ein soziales Mäntelchen um: Es ist ein Hohn, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel die erbärmlichen 8,50 Euro zu der Grenze erklärt, ab der die „Würde der Arbeit” anfängt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann tönt sogar von einer „Sozialreform von historischem Ausmaß”.
Tatsächlich ist die Verabschiedung des Gesetzes eine Reaktion darauf, dass mehr als zehn Jahre lang Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen den wachsenden Niedriglohnsektor und für eine gesetzliche Lohnuntergrenze gekämpft haben. Sie wollten einen Lohn, der den Mindestbedarf einer Familie entsprechend den bei uns üblichen Lebenshaltungskosten deckt.
Davon kann bei dem neuen Gesetz aber keine Rede sein! Die in einem halben Jahr geltende Lohnuntergrenze von 8,50 Euro sichert selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung mit höchstens 1.400 Euro brutto das aktuelle Existenzminimum einer Familie nicht ab. Fast ein Viertel aller Beschäftigten in Deutschland verdienen heute weniger als 10 Euro und ist damit von Armut bedroht. Der Bundeskongress der DGB-Jugend geht heute schon von 12,40 Euro aus, um Armut zu verhindern, der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert sogar 13 Euro.
Neben der “Höhe” werden auch die zahlreiche Ausnahmen von den 8,50 Euro kritisiert:
- Langzeitarbeitslose bleiben im ersten halben Jahr einer Beschäftigung vom Mindestlohn ausgenommen.
- Lehrlinge und Jugendliche unter 18 Jahren erhalten grundsätzlich keinen Mindestlohn.
- Praktikanten sind für drei Monate vom Mindestlohn ausgenommen. Viel länger arbeiten sie auch kaum – bzw. können sie nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden.
- Zeitungsverlage dürfen 2015 den Mindestlohn für ihre Zusteller um 25 und 2016 um 15 Prozent unterschreiten.
- Die Kosten für Wohnung und Verpflegung von Saisonarbeitern sollen verrechnet werden können. Außerdem können Saisonkräfte nun an 70 Tagen im Jahr beschäftigt werden, ohne sozialversichert zu werden.
Zudem soll der Mindestlohn nur alle zwei Jahre überprüft und eventuell den offiziellen Preissteigerungen angeglichen werden, das erste Mal 2017.