Corona-Pandemie fördert die soziale Spaltung
Soziale Distanz ist wegen des Mangels an Impfstoffen und wirksamen Therapien gegen die Corona-Infektion das wirksamste Gegenmittel. Die Kehrseite der Bekämpfung der Pandemie: Stilllegung von Teilen der gesellschaftlichen Reproduktion und in der Folge Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Unternehmenspleiten, geschlossene Kitas und Schulen.
Die Corona-Krise und ihre Bekämpfung haben weitreichende soziale und wirtschaftliche Folgen. Doch die sind nicht für jeden gleich – besonders hart trifft es die bereits Benachteiligten.
So sind Frauen besonders betroffen. Die Schließung von Schulen oder Kindergärten während der Pandemie hat nicht nur die Kinder in ihrer Entwicklung zurückgeworfen, wobei das für jene aus wirtschaftlich und sozial benachteiligten Haushalten deutlich stärker gilt. Diese Stilllegung hat sich auch unterschiedlich auf Frauen und Männer ausgewirkt. Lohnabhängige, die nur wenige Stunden pro Woche in sogenannten Minijobs arbeiten, und solche, die haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten, werden besonders schnell »freigestellt«, was heißt: Frauen trifft es besonders stark. Schlussfolgerung: bestehende Ungleichheiten werden durch die Folgen der Pandemie weiter verstärkt.
Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) konstatiert zu Recht: »Die Krise triff Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen und niedrigem Bildungsgrad besonders hart.« Sie könnten oft nicht im Homeoffice arbeiten. Wer vor der Pandemie weniger verdiente, müsse jetzt häufig weitere Einkommensverluste hinnehmen. Und: Auch das Homeschooling stößt bei diesen Familien auf materielle und kulturelle Schranken.
Die sich abzeichnende Welle von Insolvenzen bei kapitalistischen Unternehmen führt nicht nur zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern verstärkt auch die Tendenzen zur Konzentration und Zentralisation der Kapitale. Damit wächst die schon vorher bedrückende Ungleichheit bei den Vermögen.
Deutschland wies unter den entwickelten kapitalistischen Ländern schon vor der Pandemie eine herausragende Vermögensungleichheit auf – selbst wenn nicht zu bestreiten ist, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung des letzten Jahrzehnts auch positive Tendenzen in dieser Hinsicht zeigte. Die noch durch die derzeitige Krise verschärfte wachsende soziale Ungleichheit ist neben den ökologischen Zuspitzungen eine der größten Herausforderungen unserer Zeit und bildet einen Nährboden für gefährliche Entwicklungen wie Rechtspopulismus und aggressiven Nationalismus.
Die kontinuierliche Verschärfung des Ungleichheitssystems weltweit könnte verändert werden – jeweils im nationalstaatlichen Rahmen. Die Maßnahmen sind bekannt: eine stärkere und effektivere Besteuerung von Großunternehmen und Vermögenden, eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns sowie die Stärkung von Tarifsystemen und höhere Investitionen in alle Segmente der öffentlichen Infrastruktur.
Solche politischen Eingriffe in die Verteilungsverhältnisse stehen aber auch in Deutschland nicht auf der Tagesordnung. Hierzulande kommt hinzu, dass das ganze Ausmaß der nationalen Vermögenskonzentration bisher eher unterschätzt wurde. Während die wachsende Schere zwischen Arm und Reich bei der Entwicklung der Einkommen der privaten Haushalte ganz gut nachverfolgt werden konnte, gab es bei der Erfassung der Vermögensverteilung viele Baustellen, und die begründete Vermutung, dass die in den Statistiken für Deutschland ausgewiesene Vermögensspreizung zu niedrig ausgewiesen ist.
So stellten die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung wiederholt fest, dass die Datenlage in Deutschland im Bereich hoher Vermögen unzureichend ist. Dies liegt daran, dass Personen mit Vermögen in Millionenhöhe bislang in Bevölkerungsbefragungen kaum vertreten waren – entsprechend wenig wusste man über sie. Auch blieb das exakte Ausmaß der Vermögenskonzentration unklar. Die zur Verfügung stehenden bevölkerungsrepräsentativen Befragungen decken zwar Vermögen bis in niedriger einstelliger Millionenhöhe ab. Aus sogenannten Reichenlisten ist jedoch bekannt, dass es im Jahr 2017 rund 700 Millionär*innen (Familien oder Einzelpersonen) mit jeweils einem Vermögen von mindestens 250 Mio. Euro gab.
In einer neuen Studie des DIW[1] wurde nun in das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) eine Spezialstichprobe integriert, in der Menschen mit hohen Vermögen stark überrepräsentiert sind, um die bisherige Datenlücke zu schließen. Danach ist die Konzentration der individuellen Nettovermögen in Deutschland deutlich höher als bislang ausgewiesen. Neue Berechnungen auf dieser Grundlage und unter Hinzunahme öffentlich zugänglicher Reichenlisten ergeben: Die oberen 10% besitzen gut zwei Drittel des gesamten individuellen Nettovermögens, zuvor war man von knapp 59% ausgegangen.
Das reichste Prozent der Bevölkerung vereint rund 35% (statt knapp 22%) des Vermögens auf sich. Etwa 1,5% der Erwachsenen besitzen ein individuelles Nettovermögen von mindestens einer Mio. Euro. Sie unterscheiden sich nicht nur in der Vermögenshöhe von der übrigen Bevölkerung: Es handelt sich häufiger um Männer, die älter, besser gebildet, selbständig und zufriedener mit ihrem Leben sind.
Spitzenposition bei der Vermögenskonzentration
Die Vermögensverteilung kann mit unterschiedlichen Maßen beschrieben werden. Im Bericht des DIW werden Perzentilwerte inklusive des Median und des Mittelwerts (Durchschnitt) herangezogen. Der Median ist der Wert, der die reichere von der ärmeren Hälfte der Bevölkerung trennt, beschreibt also das Vermögen exakt in der Mitte der Vermögensverteilung.
Durch die Integration der neuen Zusatzstichprobe ändern sich die individuellen Nettovermögen in den unteren Vermögensgruppen (Quantilen) kaum. Mit Blick auf den Mittelwert ergeben sich deutlichere Unterschiede: Er steigt von rund 108.000 Euro im SOEP auf 127.000 Euro im integrierten Datensatz mit SOEP-P. Damit ergibt sich eine viel genaueres Bild über die Vermögensverteilung in Deutschland:
- Auf Basis der integrierten Datengrundlage steigt der Wert für das 95. Perzentil – also der niedrigste Vermögenswert der 5% der Personen mit den höchsten Vermögen – auf rund 438.000 Euro und liegt damit rund 30.000 Euro (bzw. rund 7%) über dem bisher berichteten SOEP-Wert. Am 99. Perzentil wächst dieser Unterschied weiter auf fast 27%, am 99,9. Perzentil sogar auf knapp 37%.
- Die noch größere Ungleichheit der Vermögen zeigt sich entsprechend auch an einem Standardmaß zur Messung von Vermögensungleichheit, dem Gini-Koeffizienten: Je höher sein Wert, desto ungleicher sind die Vermögen verteilt. Schon auf Basis der regulären SOEP-Population liegt der Gini-Koeffizient bei 0,78. Mit SOEP-P steigt der Index auf 0,81. Nach zusätzlicher Berücksichtigung der Top-700 steigt der Index laut Manager Magazin nochmals und beträgt dann 0,83. Damit liegt die Vermögensungleichheit in Deutschland auch im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau und nähert sich amerikanischen Verhältnissen.
- Die außerordentlich starke Vermögenskonzentration wird durch einen weiteren Indikator bestätigt, dem Anteil am Gesamtvermögen, den ein bestimmter Teil der Bevölkerung am individuellen Gesamtvermögen hält. Im regulären SOEP verfügen die oberen 10% über knapp 59% des Gesamtvermögens, die oberen 5% halten etwa 44%, das vermögendste 1% der Bevölkerung etwa 22% und die Top-0,1-Prozent noch etwa 7%. Nach Integration von SOEP-P steigt die gemessene Vermögenskonzentration deutlich auf rund 64% (oberste 10% der Verteilung), 51% (oberste 5%), 29% (oberstes 1%) beziehungsweise knapp 13% (oberste 0,1%).
- Ein weiterer Zuwachs der gemessenen Vermögenskonzentration ist nach der Berücksichtigung der Fälle aus der Reichenliste des Manager Magazins zu verzeichnen. Dann liegen die Werte bei rund 67%, 55%, 35% beziehungsweise 20%. Anders formuliert besitzen hiernach die unteren 90% nur rund ein Drittel des gesamten individuellen Nettovermögens (im regulären SOEP alleine waren es bisher immerhin noch 40%).
Vermögensverteilung
Um eine vergleichende Analyse soziodemografischer, ökonomischer und qualitativer Merkmale entlang der Verteilung individueller Nettovermögen vorzunehmen, werden die Erwachsenen im SOEP (inklusive SOEP-P) in vier Gruppen eingeteilt: Die untere Hälfte der Vermögensverteilung sind Personen mit einem individuellen Nettovermögen unterhalb des Median; die obere Mittelschicht sind Personen vom Median bis zum 75. Perzentil (von 22.800 Euro bis 126.000 Euro), Wohlhabende sind Personen vom 75. bis knapp unter das 99. Perzentil (von 126.000 Euro bis unter eine Million Euro). Die vierte Gruppe besteht aus den Netto-Vermögensmillionär*innen (sie machen die reichsten 1,5% der Verteilung aus).
- Die untere Hälfte der Vermögensverteilung verfügt im Durchschnitt über ein Bruttovermögen von etwa 11.000 Euro. Davon entfallen mehr als 29% (rund 3.200 Euro) auf Fahrzeuge, etwa ein Viertel (rund 2.700 Euro) auf selbstgenutztes Wohneigentum und jeweils rund 15% (etwa 1.600 bzw. 1.500 Euro) auf Geldanlagen und private Versicherungen.
- Das durchschnittliche Bruttovermögen der oberen Mittelschicht ist mit circa 96.000 Euro fast neun Mal so hoch. Die drei wichtigsten Vermögenskomponenten dieser Gruppe sind selbstgenutztes Wohneigentum mit rund 59% (rund 57.000 Euro), gefolgt von Geldanlagen mit etwa 13% (13.000 Euro) sowie privaten Versicherungen mit ungefähr 9% (rund 8.300 Euro).
- Wohlhabende halten im Durchschnitt ein Bruttovermögen von circa 330.000 Euro. Hier stellt erneut selbstgenutztes Wohneigentum mit einem Anteil am Bruttovermögen von fast 60% (rund 190.000 Euro) die wichtigste Vermögenskomponente dar. Sonstige Immobilien gewinnen an Bedeutung und sind mit anteilig etwa 15% (rund 50.000 Euro) die zweitgrößte Komponente. Dieser folgen Geldanlagen mit einem Anteil am Vermögen von rund 12% (etwa 39.000 Euro).
- Bei den Millionär*innen beträgt das durchschnittliche Bruttovermögen gut drei Mio. Euro. Hier dominieren das Betriebsvermögen mit einem Anteil am Bruttovermögen von circa 40% (rund 1,26 Mio. Euro), gefolgt von sonstigen Immobilien, die rund ein Viertel des Bruttovermögens ausmachen (etwa 792.000 Euro), und selbstgenutztem Wohneigentum mit circa 18% (rund 575.000 Euro). Millionär*innen beziehen ihr Einkommen also, wenig überraschend, vorwiegend aus Unternehmertätigkeit und aus der Verwertung von Immobilieneigentum. Geldvermögen spielt in der Gruppe der Millionär*innen eine untergeordnete Rolle.
Fleißige Millionär*innen?
In der Gruppe der Millionär*innen befinden sich ganz überwiegend Männer. Und je höher das Vermögen, desto älter die Person dahinter. Angestellte sind in den unteren drei Vermögenssegmenten mit einem Anteil von etwa 53 bis 63% Prozent die wichtigste Beschäftigungsgruppe. Sie machen jedoch nur rund 22% der Millionär*innen aus. Selbständige sind hier mit 73% deutlich in der Mehrheit. Auch der Anteil der Beschäftigten in Leitungspositionen steigt entlang der Vermögensverteilung deutlich. Gleiches gilt für den Anteil Selbständiger, die Personen beschäftigen. Während im unteren Vermögenssegment rund 83% der Selbständigen solo-selbständig sind, haben weitere 16% maximal neun Mitarbeitende. Bei den selbständigen Millionär*innen ist nur noch etwa ein Fünftel solo-selbständig. Rund 34% haben ein bis neun und rund 46% zehn und mehr Mitarbeitende.
Logischerweise sind Millionär*innen überdurchschnittlich zufrieden mit ihrem Leben. Dieser positive Zusammenhang zwischen Vermögen und Zufriedenheit bestätigt sich auch für weitere untergeordnete Dimensionen: Einkommen, Arbeit, Wohnung, Gesundheit und Familie. Einzige Ausnahme: die abnehmende Zufriedenheit bei Millionär*innen mit der Freizeit. Diese »könnte in der hohen Arbeitsbelastung liegen: Erwerbstätige in dieser Gruppe geben an, mit fast 47 Stunden pro Woche etwa zehn Stunden mehr als Erwerbstätige in den drei unteren Vermögenssegmenten zu arbeiten. Entsprechend mangelt es diesen Personen zwar nicht an den finanziellen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, jedoch dürfte aufgrund der hohen Arbeitsbelastung die freie Zeit an sich knapp bemessen sein.«[2]
Für die FAZ ergibt sich aus alldem das Bild einer fleißigen Gruppe von Unternehmern und Vermögensbesitzern, deren (unverhältnismäßig großes) Vermögen vor allem auf eigener Arbeit gründet: »Die deutschen Millionäre sind nämlich keineswegs Privatiers, die auf der faulen Haut liegen. Drei Viertel von ihnen sind selbständig oder unternehmerisch tätig, sehr häufig in leitenden Positionen. 40 Prozent der Vermögen stecken in Firmenanteilen, sind also Betriebsvermögen, an denen Arbeitsplätze, Gehälter und Steuereinnahmen hängen. Mit durchschnittlich 47 Wochenstunden arbeiten die Millionäre mehr als die Gehaltsklassen darunter.«
Was zu tun wäre
Wir erhalten also dass bekannte Bild: Die bundesdeutsche Gesellschaft ist durch eine massive Ungleichheit geprägt. Durch die Corona-Pandemie wird die daraus resultierende soziale Spaltung vertieft. Die Einkommen sind heute ungleicher verteilt als vor zwei bis drei Jahrzehnten, die Vermögen stärker konzentriert als in fast allen anderen Euro-Ländern. Die soziale Mobilität ist relativ gering: Reiche bleiben meist reich, Arme arm, der soziale Status der Kinder hängt stark vom Elternhaus ab. In den letzten »fetten« Jahren vor der Pandemie ist die Ungleichheit auch trotz guter Konjunktur kaum zurückgegangen.
Die bekannte Polemik der Eliten: Neiddebatten seien unangebracht, Vermögensteuern die falsche Antwort. Niemand hätte etwas davon, diejenigen höher zu besteuern, die für Arbeit und Gehälter sorgen. Auch das DIW kommt in seiner Studie zu dem Befund, dass eine Wiedereinführung der Vermögensteuer nicht hilfreich sei, um der Vermögenskonzentration zu begegnen. »In den politischen Diskurs wird immer wieder ein mögliches Comeback der Vermögensteuer eingebracht. KritikerInnen derselben argumentieren aber, dass eine solche mit hohem administrativen Aufwand sowie potentiellen Ausweichreaktionen (Verschiebung von Vermögen ins Ausland) verbunden sei.
Es gibt aber weitere Gegenargumente: Wie in diesem Bericht gezeigt wurde, halten viele Hochvermögende Betriebsvermögen. Negative Anreize, ihr Vermögen produktiver Aktivität zuzuführen, kann langfristige Konsequenzen für den materiellen Wohlstand aller haben, weil Investitionen, die Arbeitsplätze geschaffen hätten, möglicherweise nicht mehr oder weniger umfangreich getätigt werden. Auch die aktuelle Rezession verdeutlicht das Problem einer Vermögensteuer, da diese ertragsunabhängig bemessen wird und in einer Krisensituation wie derzeit die Rezession noch zusätzlich verschärfen kann.« Stattdessen plädieren die DIW-Autor*innen für verstärkte staatliche Anreize zur Vermögensbildung, eine veränderte Immobilienförderung und eine Reform der Erbschaftssteuer.
Allerdings sind bisher alle Ansätze zur Vermögensbildung von unten kläglich gescheitert und eine Reform der Erbschaftssteuer bringt zu wenig, um die soziale Ungleichheit einzudämmen. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Klage, dass eine solche Steuer die ökonomischen Eliten zu sehr belaste und Wachstum und Arbeitsplätze gefährde, gehört zum Standardrepertoire in den Verteilungsauseinandersetzungen und kann angesichts der enorm krassen Vermögensverteilung nicht überzeugen.
Eine weiteres Instrument könnte der von Bremens Regierungschef Andres Bovenschulte (SPD) im Zusammenhang mit den in der Corona-Krise enorm wachsenden Schuldenlasten eingebrachte Vorschlag eines »Lastenausgleichs« in Form einer einmaligen, über viele Jahre gestreckten Vermögensabgabe der Reichen sein.
Ohne Eingriffe in die Verteilungsverhältnisse, d.h. ohne deutliche Steuererhöhung für Vermögensbesitzer und Besserverdienende, wird die wachsende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht geschlossen werden können. Mithilfe eines solchen »Lastenausgleichs«, wie ihn Bovenschulte für heute vorschlägt, hat die Bundesrepublik Deutschland den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg finanziert.
Der Bund finanzierte diesen Ausgleich, indem er eine Abgabe auf Vermögen erhob. Bei diesen Vermögen handelte es sich vor allem um nicht zerstörte Immobilien sowie um Hypotheken- und Kreditgewinne, erklärt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel: »Die Abgabe war zwar mit 50% hoch, konnte jedoch über maximal 30 Jahre verteilt ohne ökonomisch schädliche Nebenwirkungen aufgebracht werden.«
Deshalb unterstützt Hickel Bovenschultes Idee: »Wir stehen vor der größten Herausforderung, vor der Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg stand.« Allerdings müsse die Vermögensabgabe nicht so hoch ausfallen wie 1952, es reiche diesmal, die Spitzenvermögen heranzuziehen, über die lediglich ca. 1% der Bevölkerung verfüge. Zudem plädiert er für hohe Freigrenzen von etwa vier Mio. Euro.
Und Hickel empfiehlt, die Vermögensabgabe zur Finanzierung eines »Solidar-Fonds-Corona« einzusetzen. Es gehe darum, alle aufgrund der Pandemie aufgelaufenen Kredite des Bundes, der Länder und der Kommunen in einem bundesweit gemanagten Sondervermögen zusammenzufassen. »Natürlich dürfen aus diesem Topf ausschließlich Folgeschäden der Pandemie beglichen werden«, und vergleichbar »mit dem Lastenausgleichsgesetz von 1952 sollte der Corona-Solidarfonds auf mindestens 30 Jahre angelegt werden.«Neben diesen verteilungspolitischen Maßnahmen geht es in den Verteilungsauseinandersetzungen auch um eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns sowie die Stärkung von Tarifsystemen und höhere Investitionen in allen Segmente der öffentlichen Infrastruktur. Letztere sind dringend erforderlich, um die notwendige Reorganisation der gesellschaftlichen Wertschöpfung voranzutreiben.
[1] Carsten Schröder, Charlotte Bartels, Konstantin Göbler, Markus M. Grabka und Johannes König, MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher ausgewiesen, DIW-Wochenbericht 29/2020, www.diw.de/de/diw_01.c.793802.de/publikationen/wochenberichte/2020_29_1/millionaerinnen_unter_dem_mikroskop__datenluecke_bei_sehr_ho___geschlossen______konzentration_hoeher_als_bisher_ausgewiesen.html
[2] Ebd.
4. August 2020 Joachim Bischoff/Bernhard Müller, aus: sozialismus