Der letzte Stand in Cizîr: 66 Menschen ermordet, von 73 weiteren kein Lebenszeichen
Die Bilanz des Massakers in der kurdischen Stadt Cizîr (Cizre) nimmt immer grausamere Züge an. Mittlerweile wurden in insgesamt drei Wohngebäude der Stadt, in denen Menschen durch das türkische Militär eingekesselt wurden, 66 Menschen ermordet. Von 73 weiteren Menschen gibt es nach wie vor kein Lebenszeichen.
In einem der drei Gebäude sollen am 10. Februar 20 verletzte Menschen durch Spezialeinsatzkräfte des türkischen Staates bei lebendigem Leib verbrannt worden sein. Bei dem letzten Kontakt zu den 25 übrigen Menschen in demselben Wohngebäude berichtete Derya Koç aus dem Gebäude telefonisch, dass sie die Schreie der Menschen aus dem Keller hören konnten, die durch Einsatzkräfte in Brand gesteckt wurden. Koç berichtete außerdem, dass sie und die übrigen im Gebäude festsitzenden Menschen, von denen viele verletzt seien, aufgrund des starken Gasgranateneinsatzes kaum noch Luft bekommen würden. Die Einsatzkräfte sollen während ihres Angriffs das Wohngebäude mit nationalistischen türkischen Märschen beschallt haben. Nach diesem letzten Telefongespräch mit Koç am Nachmittag des 10. Februars konnte kein Kontakt mehr zu dem Menschen im Haus hergestellt werden.
Aus dem zweiten Wohngebäude sind am 10. Februar die Leichname von zehn Menschen mit Krankenfahrzeugen wegtransportiert worden. Insgesamt sind aus diesem Gebäude, in dem sich wohl 62 Menschen befunden hatten, bislang 37 Leichname weggebracht worden. Von den 25 übrigen Menschen gibt es kein Lebenszeichen. Der HDP Abgeordnete Faysal Sariyildiz befürchtet, dass wohl alle 62 Menschen bei einem Angriff des türkischen Militärs auf das Gebäude in der Nacht auf den 9. Februar hingerichtet worden sind. Der türkische Sender TRT verkündete in jener Nacht, dass “60 Terroristen” getötet worden seien, nahm die Meldung später allerdings nach einer Stellungnahme der AKP-Regierung, die wohl das Ausmaß des Massakers verschleiern wollte, wieder zurück.
Zu dem dritten Wohnhaus, in dem sich 31 Menschen befanden, gibt es seit nunmehr 12 Tagen keinerlei Kontakt mehr. Zuletzt wurde berichtet, dass sieben Menschen aufgrund ihrer Verletzungen in dem Gebäude ums Leben gekommen und mindestens 15 weitere Menschen verletzt sind. Das türkische Militär lässt trotz unzähliger Aufforderungen keine Krankenfahrzeuge in die Nähe des Gebäudes.
HDP: 210 Menschen seit Ausrufung der Ausgangssperren in kurdischen Städten ermordet
Traurige Zwischenbilanz: in den kurdischen Städten wurde seit Juli 2015 infolge der Ausgangssperren nach Angaben der HDP der Tod von 210 Zivilisten bestätigt. Zudem sind seit Juli letzten Jahres rund 100 Menschen durch Angriffe der staatlichen Sicherheitskräfte auf Proteste, Demonstrationen und Kundgebungen ums Leben gekommen. Gemeinsam mit den Opferzahlen der IS-Anschläge in Suruç und Ankara und den Luftangriffen des türkischen Staates auf das Dorf Zergele in Südkurdistan (Nordirak) sind laut HDP seit Mitte letzten Jahres 460 Zivilisten ermordet worden.
Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.