Die globale Mittelklasse: Weniger groß und ärmer als erwartet
Pew-Studie: Nur 16% der Weltbevölkerung haben eine gesicherte Existenz über der Armutsgrenze nach westlichen Maßstäben
Weltweit hat sich die Mittelklasse nicht so deutlich vergrößert, wie dies prognostiziert oder erwartet wurde. Selbst der Wirtschaftsaufschwung Chinas im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts hat am großen Einkommensgefälle zwischen den reichen Ländern in Nordamerika und Europa und dem Rest der Welt kaum etwas verändert. 71 Prozent der Weltbewohner mussten 2011 mit einem täglichen Verdienst von bis zu 10 Dollar auskommen. 2001 waren es noch 79 Prozent. Eine moderate Veränderung, immerhin.
Das zehn-Dollar-pro-Tag-Einkommen wird vom US-amerikanischen Pew-Research Center als Schwelle angegeben: Bis zu diesem Verdienst wird von “niedrigem Einkommen” gesprochen. Dies kennzeichnet eine wirtschaftlich labile Situation, in der das Risiko eines Abrutschens in die Armut (2 Dollar pro Tag oder weniger) jederzeit gegeben ist.
Relativ kleine globale Verbesserungen im einkommensschwachen Bereich
Für die Studie verglich Pew Zensus-Haushaltsdaten und Daten der Weltbank zur Kaufkraftparität aus 111 Ländern. Sie stammen aus den Jahren 2011 bis 2011. Sie sind damit schon etwas veraltet, aber sie decken 88 Prozent der Weltbevölkerung ab, was ein globales Entwicklungsbild zeigt, das Schlüsse zuläßt, so der Wirtschaftswissenschaftler Rakesh Kochhar, der für die Studie verantwortlich ist.
Die erste Beobachtung, die er notiert, ist eine leicht verbesserte Situation bei den Einkommen unterhalb der UN-Armutsschwelle. Dazu werden diejenigen gezählt, die mit einem Tageseinkommen von 2 US-Dollar oder weniger auskommen müssen. Lag der Anteil der Armen zu Anfang dieses letzten Jahrzehnts bei 29 Prozent der Weltbevölkerung, so nahm er bis 2011 auf 15 Prozent ab.
670 Millionen schafften den Sprung laut Pew in die nächste Kategorie: low income. Die fängt bei mehr als 2 Dollar an und hört mit 10 Dollar auf. In Prozentanteilen ist dies ein Zuwachs von 50 Prozent (2001) auf 56 Prozent (2011). Insgesamt wird die weltweite Zahl der Menschen mit schwachem Einkommen auf 3,4 Milliarden zu Anfang des gegenwärtigen Jahrzehnts beziffert.
Die globale Mittelklasse
Im Zentrum des Interesses stand jedoch die Mittelklasse. Erst damit fangen die solideren Verhältnisse an, die sich mit dem Bekämpfen der Armut vorausgaben, sondern in Bildungen und Anschaffungen investieren können. Ihr Konsum-und Marktpotential wird deswegen für Unternehmen interessant, nicht nur der billigeren Arbeitskräfte wegen.
In den letzten Jahren gab es öfter Berichte über den Zuwachs an kaufkräftigen Mittelschichten in den sogenannten Schwellenländern. Das Ergebnis der Pew-Studie widerspricht allerdings dem Trend, den sich manche erwartet oder herbeigeschrieben hatten.
Die globale Mittelklasse ist kleiner, als wir denken, und steht schlechter da, als wir denken, und ist sehr viel mehr auf bestimmte Regionen beschränkt, als wir denken.
Dabei legt der Pew-Bericht einen weitgefassten Rahmen an, um die globale Mittelklasse abzugrenzen: von über zehn Dollar am Tag bis zu 100 Dollar. Innerhalb der Kategorie wird der Verdienst über 20 Dollar als oberes mittleres Einkommen definiert.
Dort zeigt sich die kleinste Veränderung. Gerade mal um zwei Prozent, von 7 auf 9%, ist der Anteil der oberen mittleren Einkommen zwischen 2001 und 2011 weltweit geklettert. Beim mittleren Einkommen wird ein Zuwachs von 7 auf 13 Prozent notiert. In absoluten Zahlen: Die Zahl der Haushalte, die zwischen 10 und 20 Dollar am Tag verfügen, wuchs im letzten Jahrzehnt von 399 Millionen auf 784 Millionen. Der Löwenanteil kommt aus China. Dort wurden 2011 235 Millionen Haushalte unter middle income rubrifiziert. 2001 waren das noch 32 Millionen.
Verteilung der weltweiten Einkommen (Haushaltseinkommen pro Tag). Grafik: TP. Quelle: Pew Research Center |
Wie gering die globale Dynamik in den Wohlstandsbereichen im letzten Jahrzehnt ausfiel, zeigt sich dann noch deutlicher bei den höheren Einkommen – ab 50 US-Dollar täglich: Gerade mal um 1 Prozent ist dieses Segment im letzten Jahrzehnt global gewachsen. Daraus ergibt sich ein eindeutiger Befund: Die geografische Schieflage zwischen einkommensreicheren und ärmeren Regionen bleibt stabiler als dies manche Prognostiker angenommen haben. Die Mittelklasse der Schwellenländer wächst im globalen Maßstab nicht signifikant.
Noch deutlicher wird das Gefälle, wenn man US-Maßstäbe für Armut und bessere Verdienste heranzieht. Nur 16 Prozent der Weltbevölkerung können mit Einnahmen rechnen, die über der amerikanischen Armutsschwelle (20 Dollar am Tag für eine vierköpfige Familie) liegen. Die große Mehrheit der Haushalte, die über 50 Dollar am Tag verfügen können, befindet sich noch immer in zwei Regionen Nordamerika und Europa.
Im Jahr 2001 stammten 91 Prozent der well-off households aus den beiden Regionen, 2011 waren es noch immer 87 Prozent. Innerhalb dieser Regionen kam es dabei zu kleineren Verschiebungen, europäische Länder überholten die USA, was mit der Finanzkrise 2008 zu tun haben dürfte, die amerikanische Mittelklasseeinkommen anscheinend mehr getroffen hat.