Gießener Linke fragt nach den Mindeststandards im Busverkehr des Landkreises

Gemäß dem 2020 von der Verbandsversammlung des ZOV beschlossenen Nahverkehrs­plan gelten Mindeststandards für die Anzahl an An- und Abfahrten in den Kommunen „die während des gesamten Jahres, auch während der Schulferien vorgehalten werden müssen“ (Nahverkehrsplan, S. 102). Je nach räumlichem Gebiet (Kategorie 1, 2 oder 3) ...

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SPD, Vraktion und Gießener Linke stellen Fragen zur Situation der Kindertagespflegekräfte

Zu Beginn des Jahres wurde eine neue Satzung für die Kindertagespflegekräfte im Kreistag beschlossen. Neben mehreren Verbeserungen (z. B. bei der Vergütung) haben sich die Betroffenen in den vergangenen Monaten mehrfach - auch demonstrativ vor Kreistagssitzungen - zu Wort gemeldet. Sie kritisieren mehrere neue Regelungen: - ...

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56 Organisationen warnen vor einer Zunahme der Todesfälle im Mittelmeer aufgrund der Festsetzungen von zivilen Rettungsschiffen

Dringende Warnung: Mehr Tote auf See, NGO-Schiffe werden festgesetzt - Europäische Staaten müssen die Behinderung der zivilen Such- und Rettungsmaßnahmen im zentralen Mittelmeer sofort beenden Nach der jüngsten Festsetzung von drei zivilen Such- und Rettungsschiffen in Italien fordern 56 Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung ein sofortiges Ende ...

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Tagesmütter arbeiten als „Scheinselbständige“ und werden weit unter Mindestlohn bezahlt

Seit dem 1. August 2013 gibt es den Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes. Doch noch heute, fast 10 Jahre später kämpfen zahlreiche Eltern jeden Tag und oftmals mehr als verzweifelt darum, überhaupt irgendeinen Kita-Platz zu bekommen oder eine Kindertagespflegeperson ...

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Wie die EU Afrikaner durch die Seitentür schleust und warum Putin in Niger kein Bösewicht ist

Nach dem Umsturz in Niamey stellen sich Fragen von Respekt und Abhängigkeit. Und nach dem historischen und nachwirkenden Kolonialismus. Ein Gastkommentar. In Frankreich gibt es keine einzige aktive Goldmine. Dennoch besitzt dieser (ehemals) verbrecherische Kolonialstaat mit 2.436 Tonnen die viertgrößten Goldreserven der Welt. Die (ehemals) französische Kolonie ...

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Zum Skandal der Kindergrundsicherung: Millionen Kinder und Jugendliche in Armut

In der Berliner Republik hat der Gegensatz von Reichtum und Armut deutlich zugenommen. Im Jahr 2021 hat dieser Widerspruch einen historischen Höchststand erreicht. Die Vermögen privater Haushalte in Deutschland sind zwischen 2017 und 2021 gestiegen. Von dem gesamten Vermögenszuwachs, der zwischen 2020 und 2021 in Deutschland ...

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Europäischer Asyl-Kompromiss: Der Paritätische Wohlfahrtsverband zeigt sich enttäuscht und entsetzt

Der Verband appelliert an Bundesregierung und EU-Parlament sich für deutliche Nachbesserungen einzusetzen. Den Kompromiss für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS), dem die Bundesregierung gestern zugestimmt hat, kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband scharf. Trotz der asylrechtlichen Verschärfungen und der Missachtung der UN-Kinderrechtskonvention von einem historischen Erfolg zu sprechen, ...

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Kindergrundsicherung: Breites Bündnis kritisiert Untätigkeit von Bundesarbeitsminister Heil im Kampf gegen Kinderarmut

Mit einem Aufruf fordern 28 Organisationen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf, den Weg für eine armutsfeste Kindergrundsicherung freizumachen. Angesichts des Stillstands bei der Ausarbeitung einer armutsfesten Kindergrundsicherung fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Sozial-, Wohlfahrts-, Verbraucher- und Kinderschutzverbänden sowie Jugendorganisationen und Gewerkschaften Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf, die ...

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Den USA droht ein Zahlungsausfall: Vor einer »verantwortungslosen politischen Geiselnahme«?

US-Finanzministerin Janet Yellen hat den Abgeordneten im Kongress mitgeteilt, dass den USA bereits in vier Wochen das Geld auszugehen droht. Weil die USA ihre Schuldengrenze von 31,4 Bio. US-Dollar (etwa 28,6 Bio. Euro) erreicht haben, können sie sich dann nicht mehr mit weiteren Krediten verschulden. Schon ...

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Zum Tod von Harry Belafonte (1. März 1927–25. April 2023) - »Let’s break the chains of social injustice«

Der am 25. April im Alter von 96 Jahren verstorbene Sänger, Schauspieler und sozialistische Bürgerrechtler Harry Belafonte war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des amerikanischen Kulturlebens wie auch der Musik und Schauspielkunst im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. Harry Belafonte wurde am 1. März 1927 in Harlem, ...

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Étienne Balibar Griechenland: Fünf Gründe einer französischen Leidenschaft

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Warum verfolgen die Menschen in Frankreich die nicht endenden Episoden der »griechischen Krise« mit einer Leidenschaft, als ob ihr eigenes Schicksal davon abhängt? Aber es ist tatsächlich so. Jeder von uns hat dafür seine persönlichen, beruflichen und intellektuellen Motive. Im Kern ist die Abhängigkeit politisch:

Es geht um die politischen Tageskämpfe, um ihren Widerstand gegen das klassische Politik- und Regierungsgeschäft (»gouvernance«), und um ihre Fähigkeit, den Platz zurückzuerobern, der einer Gesellschaft der freien Menschen angemessen ist.

Ich formuliere dazu fünf Hypothesen, die ich für diskussionswürdig erachte, für die aber nur ich verantwortlich bin.

Erstens: Die Menschen in Frankreich (und in anderen Ländern) haben mit Leidenschaft den klugen, hartnäckigen und mutigen Kampf einer Regierung und ihrer Führung verfolgt, die das ihnen erteilte Mandat entschlossen respektieren wollen. Uns ist erst schrittweise Folgendes immer deutlicher geworden: Das Ziel der »Institutionen« und der »großen Koalition«, die zur Zeit Europa regiert, ist weder, Griechenland aus der Katastrophe herauszuführen, in die sie das Land mit dem »Rettungsprogramm« hineingestürzt haben, noch ihm bei der Reform seiner »korrumpierten« Strukturen zu helfen. Das wahre Ziel war und ist, sie zu einer erniedrigenden Verzichtserklärung zu zwingen, damit das Beispiel nicht zum Flächenbrand wird. Nach dem Referendum haben die Menschen in Frankreich zudem begriffen, dass die von Brüssel und der Eurogruppe etc. verbreiteten und in der Mehrheit unserer Presse reproduzierten Informationen substanzlos waren. Es gab Alternativen!

Zweitens: Die französische Bevölkerung beginnt, die Dimension der Reaktivierung der Demokratie zu begreifen, von der die Legitimität der Regierungsmacht abhängt, die uns auf europäischer und nationaler Ebene repräsentiert. Die GriechInnen liefern dazu die Folie, sie werfen ein Problem auf, das sie natürlich nicht alleine lösen können. Das seit Wochen penetrant wiederholte Argument: »Der Wille der Bevölkerung einer Nation kann Verträge nicht außer Kraft setzen« ist nun geworden zu: »Er kann nicht mehr wert sein als der Wille von 18 anderen Nationen.« Das ist zwar richtig, vorausgesetzt allerdings, dass dieser Wille ermittelt wird, und zwar in den aktiven Formen, die Tsipras und seine Regierung etabliert hat. Das Niveau der Anforderungen an Demokratie in Europa steigt.

Drittens: Die Menschen in Griechenland verkörpern eine genuin linke Form des Widerstands gegen die vorherrschende Form der Europäischen Einigung. Sie zerschmettern das Stereotyp des »Populismus« (oder der »Extremismen«, die sich verdichten in der Demagogie und grundsätzlichen Feindschaft gegen die Europäische Einigung). Tsipras ist pro-europäisch und gegen die finanzmarktgetriebene Politik. Das gibt es in Frankreich nicht, wo dieser Widerstand eher in Richtung Front National geht. Das muss uns interessieren und herausfordern.

Das wirft die Frage auf: Welche Politik der Linken ist heute gefordert? Welche Sprache, welche Kampfesformen, welche Ziele braucht eine Linke, die dieses Namens im 21. Jahrhundert würdig ist? In Frankreich durchleben wir zur Zeit eine Phase der Depression zwischen einer mit dem vorherrschenden Liberalismus verbandelten Linken, die sämtliche Verpflichtungen der Vergangenheit vergessen hat, und einer gespaltenen, oft geschwätzigen oder zögerlichen »Linken der Linken«. Auf der Suche nach Inspiration schauen wir in Richtung Syriza oder Podemos, wir sollten aber eher von Wettbewerb (émulation) sprechen, weil es kein für alle identisches Modell gibt.

Viertens: In Rechnung gestellt, dass das Referendum nichts löst, sondern nur einige Karten neu mischt und die Herausforderungen zuspitzt, geht es bei Syrizas Widerstand gegen das tödliche Diktat der Troika und bei dem Kampf, den sie nun führen muss, darum zu zeigen, dass in der Ökonomie Alternativen existieren, dass die Ökonomie selbst Politik ist. Die ganz große Mehrheit der Ökonomen – den IWF eingeschlossen – weiß, dass die Schulden restrukturiert werden und der Weg der Austerität verlassen werden müssen. Die große Frage ist aber die nach einer abgestimmten und solidarischen Entwicklung der Gesellschaften des europäischen Kontinents. Syriza wirft mit Macht exakt dieses Problem auf, das in einem Frankreich, das in Richtung Abstieg und Ungerechtigkeit gleitet, auf kräftige Resonanz stößt.

Fünftens schließlich (und das nicht das geringste Problem): Tsipras hat zusammen mit seiner Regierung und der griechischen Bevölkerung unmissverständlich erklärt, dass ihr Ziel nicht das Ende Europas ist (in das uns im Gegenteil der Dogmatismus und die Verbissenheit unserer gegenwärtig »Regierenden« stürzt), sondern seine Refundierung auf neuen Grundlagen. Der »konstutive Moment«, von dem einige unter uns gesprochen haben, ist exakt der Punkt, vor dem wir stehen. Er hat aber nur dann die Chance einer Materialisierung, wenn sich die öffentliche Meinung auf dem gesamten Kontinent ziemlich kräftig und ziemlich schnell ändert. Nur dann kann der Grexit (d.h. der Rausschmiss einer Nation aus der Gemeinschaft) vermieden und danach die Frage gestellt werden: Welches Europa? Für wen? Mit welchen Mitteln? So wie die griechische Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit sind auch wir für die Europäische Einigung, aber wir wollen sie ganz anders. Wir wissen, dass wir diese Chance nicht verpassen dürfen. Danke an Tsipras, sie uns zu geben.

Étienne Balibar ist emeritierter Professor für Philosophie an der Universität Paris Nanterre und Distinguished Professor an der University of California, Irvine. Er ist als Schüler und enger Mitarbeiter von Louis Althusser u.a. Co-Autor von Lire le Capital (überarbeitete deutsche Neuausgabe Das Kapital lesen, Münster 2014) und Autor von Für Althusser (Mainz 1994). Zudem ist er seit Jahren in der Unterstützung illegaler Flüchtlinge aktiv.

Erschienen in: Libération vom 7.7.2015; aus dem Französischen von Horst Arenz.