Gießener Linke + Vraktion fordern: Gedenktafel vor der ehem. Zwangsarbeiter-Baracke in Freienseen
Mit dem Überfall Polens 1939 begann der deutsche Faschismus den zweiten Weltkrieg. Die weitere Steigerung der Rüstungsproduktion bei gleichzeitiger Rekrutierung aller wehrfähigen Männer war nur möglich durch die Intensivierung der Zwangsarbeit, insbesondere durch Deportation vorwiegend junger Menschen aus allen von der Wehrmacht besetzten Gebieten nach Deutschland. Historiker schätzen die Zahl der eingesetzten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf über 7 Millionen Menschen, unter Einbeziehung von Fluktuation geht man von 11 Millionen Betroffenen aus, zu denen auch viele Kinder gehörten. Diese Zahlen berücksichtigen nicht die Tausende deutscher KZ-Häftlinge, die auch zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Vor allem Großkonzerne profitierten von den billigen und rechtlosen Zwangsarbeitskräften, u.a. die Krupp AG, Daimler Benz, IG Farben, Friedrich Flick usw.
Allein in der Stadt Gießen sind nach bisher vorliegenden Veröffentlichungen 1610 Zwangsarbeiter aktenkundig, die aus Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Italien, Kroatien, Litauen, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Rumänien, der Slowakei, der Türkei, Ungarn oder der Sowjetunion kamen. Heute, gut 80 Jahre später, erinnert an den Orten der Zwangsarbeit im Kreis Gießen nichts mehr an die Schicksale der hier eingesetzten Zwangsarbeiter. In allen Rüstungsbetrieben des Kreises waren Hunderte von Zwangsarbeitern eingesetzt, bei Buderus in Lollar, bei Didier in Mainzlar, bei Schunk in Heuchelheim, bei Dönges in Krofdorf, bei Poppe in Gießen, um nur einige, wenige beispielhaft zu nennen. In jedem Dorf waren Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt, in vielen Haushalten Besserverdienender und bei Nazibonzen.
Etliche Zwangsarbeiter fielen den unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei mangelhafter Ernährung und unzureichender Unterkunft zum Opfer, kamen bei Arbeitsunfällen um oder wurden ermordet. Fast alle diese Fälle wurden niemals aufgeklärt, die Opfer vergessen, verdrängt, die Taten vertuscht, die Täter, Mittäter und Verantwortlichen geschont.
Untergebracht waren die für Unternehmen tätigen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter oft in Baracken, so auch in der letzten heute noch erhaltenen Baracke (von ursprünglich 15) in Freienseen. Sie diente den vorwiegend russischen Fremdarbeitern als Zwangsunterkunft. Die dort untergebrachten Zwangsarbeiter mussten für die Frankfurter Firma VDO Armaturen in einem nahegelegenen Eisenbahntunnel für die geplanten Waffen V1 und V2 produzieren. Obwohl diese Baracke seit 1991 als Mahn- und Denkmal aus geschichtlichen Gründen ausgewiesen ist, erinnert heute vor Ort nichts mehr an „einen Ort der Zwangsunterkunft für Zwangsarbeiter“. Die Gedenktafel soll ein erster Schritt sein, diesen Zustand zu beenden.
Die Gräber von zwei Zwangsarbeiterinnen, die in Freienseen eingesetzt waren, befinden sich in Arnsburg:
– Basowa Walentina, * 24.6.1926 Daly/Krim, tot 29.1.45, in Freienseen ab
1.10.44, VDO Arbeiterin, Lungen-TBC (Arnsburg Grab Nr. 203)
– Fedyschena, Wara, * 19.11.1921 Andrejewka Ukraine, tot 7.4.45 in Med.
Klinik Gießen, Lungen-TBC (Arnsburg Grab Nr. 212)