Internieren, gängeln, abschieben
Unionstreffen: Fraktionschefs von CDU und CSU wollen weitere Asylrechtsverschärfungen
Erneut befeuerten CDU und CSU die rassistisch aufgeheizte Asyldebatte mit allerlei Unterstellungen und Ausgrenzungsplänen. So drangen die Unionsfraktionschefs von Bund und Ländern bei einem Treffen am Montag in Frankfurt am Main unter anderem darauf, die im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbarten sogenannten Ankerzentren für Flüchtlinge zügig zu errichten. Flüchtlingskinder wollen sie einem »Wertekundeunterricht« unterziehen, um ihnen »die Regeln des deutschen Rechtsstaats« beizubringen.
Mit dem harmlos klingenden Begriff »Ankerzentren« alias »Ankunft-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen« sind polizeilich bewachte Massenlager gemeint. Bis zu sechs davon sollen noch in diesem Jahr errichtet werden. Darin sollen Flüchtlinge bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag sowie Menschen, deren Asylgesuche abgelehnt wurden, weggesperrt werden. Nach Angaben des von Horst Seehofer (CSU) geführten Bundesinnenministeriums bekundeten Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen bereits Interesse. Die in Hessen mit der CDU regierenden Grünen bestritten am Montag, dass eine Bereitschaftserklärung aus Wiesbaden vorliegt, ein solches Zentrum einzurichten.
Die Politiker der Unionsparteien sehen sich durch die Vorgänge in der Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Ellwangen in der vergangenen Woche (siehe jW vom 4.5.) in ihrem Kurs bestätigt. Rund 150 Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung hatten am Morgen des 30. April die »Rückführung« eines Mannes aus Togo verhindert. Dieser sitzt inzwischen in Abschiebehaft. Polizei, Medien und Politik bauschten die Proteste der Geflüchteten zur »Gewalttat« auf. Dabei haben sich die meisten Vorwürfe wie mutmaßlicher Waffenbesitz von Flüchtlingen und der, dass Polizisten verletzt worden seien, bereits vor Tagen als frei erfunden herausgestellt.
Doch CSU-Landesgruppenchef Alexander Drobrindt und andere nutzen für ihre Stimmungsmache weiter die Falschmeldungen. Dobrindts Äußerungen über eine »aggressive Antiabschiebeindustrie« in Bild am Sonntag (siehe jW vom Montag) sorgen unterdessen für Empörung. Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, warf dem CSU-Politiker vor, den Rechtsstaat auszuhöhlen. Er forderte Justizministerin Katarina Barley (SPD) auf, Dobrindt zu rügen: »Kein Demokrat kann das einfach so stehen lassen«, sagte er am Montag gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Einzelne Personengruppen vom Zugang zum Recht auszuschließen und ihnen den Weg zu unabhängigen Gerichten verwehren zu wollen, das sei ein schwerer Angriff auf die »Grundlagen unseres Rechtsstaats«. Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, sagte der Mitteldeutschen Zeitung (Montagausgabe), gerade Bürgerinitiativen und Anwälte, die sich »dafür einsetzen, dass es bei der Prüfung von Asylansprüchen korrekt und human zugeht«, seien diejenigen, »die Recht und Ordnung hochhalten«. Dobrindt mache »mit plumpen AfD-Sprüchen Bayern-Wahlkampf«.
Indes unterbreitete die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Vorschläge für repressive Maßnahmen in den geplanten »Ankerzentren«. Ihr Vorsitzender Rainer Wendt verlangte im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (Montagausgabe) »Schleusen am Eingang mit Zugangskontrollen« sowie »Fluchträume für das Personal«. Die Anlagen, so Wendt weiter, seien einzuzäunen und durch Videokameras zu überwachen. Denn »mit Blick auf den Vorfall in Ellwangen« sei von einer zunehmenden Gefährdung der Beschäftigten auszugehen.
Die im Deutschen Gewerkschaftsbund organisierte Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte sich dagegen Ende vergangener Woche gegen diese Lager ausgesprochen. Im Bayrischen Rundfunk wandte sich GdP-Chef Oliver Malchow gegen einen Einsatz der Bundespolizei zur Bewachung der Ankerzentren. Er verstehe nicht, warum die Polizei Menschen, die lediglich Asyl beantragt hätten, die Freiheit nehmen solle. Außerdem führe eine derartige Kasernierung zu mehr Aggressivität. In einem Brief an die im Bundestag vertretenen Fraktionen mit Ausnahme der AfD hatte die GdP sich zuvor ähnlich geäußert.
Susan Bonath, jw, 8.5.18