. Mit dem denkbar knappsten Ergebnis, einem 29:29-Patt, wurde am Montagabend im Kreistag eine Resolution abgelehnt, die zwar eine Signalwirkung, aber keine rechtlichen Auswirkungen zur Folge hat. Die Fraktion Gießener Linke konnte sich mit ihrem Antrag »Keine Abschiebung von Schülerinnen und Schülern« nicht durchsetzen. Bei der Abstimmung waren Fraktions- und Koalitionszwang für die Kreistagsmitglieder aufgehoben, konnten diese frei entscheiden. Allerdings gab es eine namentliche Abstimmung, die Vyacheslav Yashchenko (Vraktion) gefordert hatte, so dass nun im Protokoll festgehalten ist, wie welcher Parlamentarier abgestimmt hat. Neben den 29 Ja- und 29-Nein-Stimmen gab es noch neun Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.
»Ort zum Lernen ohne Angst«
Vorausgegangen war eine hitzige Aussprache. So hatte der SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Dirk Haas in seiner Rede klargemacht, dass zwar der Kreistag nicht zuständig sei, doch hinzugefügt, »aber wir sollten ein klares Zeichen setzen, dass es auch keine Einzelfälle gibt und Schulen ein Ort zum Lernen ohne Angst sind«. Dabei verwies er dann auch auf jene Menschen, die unser Land dringend benötige. Reinhard Hamel, Fraktionsvorsitzender der Gießener Linke, hatte zuvor bei der Begründung des Antrags von einem für Schlagzeilen sorgenden Vorfall in Sachsen-Anhalt berichtet, bei dem ein zehnjähriges Kind unter Tränen während des Sportunterrichts abgeholt und zur Abschiebung gebracht werden sollte.
Diese Praxis, Kinder während des Unterrichts, auf dem Schulweg oder direkt aus Bildungseinrichtungen zur Abschiebung abzuholen, sei unvereinbar mit dem Schutz des Kindeswohls und dem Charakter von Schulen als angstfreie Räume. »Wir fordern alle zuständigen Stellen auf, Bildungseinrichtungen als Tabuzonen für Abschiebungen anzuerkennen und sich aktiv gegen solche Abschiebungen einzusetzen«, so Hamel. Er sprach von einer perfiden und inhumanen Praxis.
Grundsatzfrage
Muriel Lüdke Campos-Garcia betonte, dass der Kreisausländerbeirat die Resolution ausdrücklich unterstütze, gehe es doch auch um die Grundsatzfrage »Wie gehen wir mit schutzbedürftigen Kindern um?«. Zudem betonte er, dass die Abschiebung aus der Schule »dem Kindeswohl widerspricht«. Katrin Roos (Grüne) führte an, Abschiebungen, bei denen Kinder aus der Schule geholt werden, würden das Vertrauen in den Ort Schule erschüttern. Es sei dies ein »hochemotionales, beängstigendes und schreckliches Ereignis«, das die gesamte Schulgemeinde aufwühle und zu längeren psychischen Belastungen führen könnte. »So etwas hat in den Schulen nichts zu suchen. Auch wenn der Antrag fraglich ist, ob er etwas bewirken kann, stimmen wir zu oder enthalten uns«, kündigte sie das Abstimmungsverhalten ihrer Fraktion an.
CDU-Fraktionsvorsitzender Tobias Breidenbach begründete seine ablehnende Haltung mit dem Hinweis, dass es sich hier um »Einzelfälle und keine gängige Praxis handelt. Wir haben keinen Einfluss und Zuständigkeit. Wir werden als Koalition nicht geschlossen abstimmen, weil dies kein Thema für Koalitionszwang ist. Wir als CDU werden die Resolution aber ablehnen«.
»Ist nicht unsere Aufgabe«
Auch Dennis Pucher (FDP) warf die Frage auf, mit was man sich hier beschäftige, Fehlentwicklungen im Einzelfallsektor mit Resolutionen zu bearbeiten. »Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir tun der Debatte keinen Gefallen. Wir werden dem Antrag nicht folgen«, kündigte er an.
Vyacheslav Yashchenko (Vraktion) wandte sich entschieden gegen »das Pseudoargument, der Landkreis sei nicht zuständig«, und wünschte sich »eine ehrliche Auseinandersetzung« mit dem Thema. FW-Fraktionsvorsitzender Kurt Hillgärtner kündigte eine unterschiedliche Abstimmung seiner Fraktion an und führte an, dass es keinesfalls zielführend sei, »für jedes Einzelerlebnis auf Bundesebene lokale Resolutionen zu verabschieden. Wir vertrauen auf gebotene Umsicht und Handeln und gehen davon aus, dass dies mit größtem Augenmaß erfolgt«.
Bei der Abstimmung sprachen sich Gießener Linke, SPD und Vraktion geschlossen und die Grünen mehrheitlich bei vier Enthaltungen für die Resolution aus, während sie die AfD und FDP geschlossen ablehnten. Auch die CDU votierte bei einer Enthaltung mehrheitlich gegen die Resolution.
Gleich zwei »tierische« Berichts-Anträge der FDP-Fraktion wurden in der Kreistagssitzung einstimmig verabschiedet. So beauftragte man den Landkreis damit, über konkrete präventive Maßnahmen hinsichtlich von Informationsangeboten für Bürger zur »Bekämpfung« von Waschbären zu informieren. Wie auch über Tiertransportkontrollen des Fachdienstes Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Gießen in Zusammenarbeit mit der Polizeiautobahnstation Mittelhessen sowie über die Anschaffung einer 20 000 Euro teuren mobilen Schlachteinheit zur hofnahen Schlachtung von Weidetieren. Letzteres war insbesondere mit dem Ziel verbunden, die Anzahl von Tiertransporten, und damit auch das Tierleid, zu verringern. (twi)