Klimanotstand in Europa, aber nicht im Landkreis Gießen
Nach Großbritannien, Frankreich und Portugal sowie Hunderten Städten und Kreisen hat jetzt auch das EU-Parlament den Klimanotstand ausgerufen, um auf die Dringlichkeit wirksamer Schritte für die Senkung der Treibhausgase bei Verkehr, Wärme, Energie und Landwirtschaft hinzuweisen.
Erst vor drei Wochen hat ein entsprechender Antrag der Fraktion Gießener Linke im Kreistag nicht die erforderliche Mehrheit erhalten. Er wurde im Wesentlichen von allen Fraktionen – von den Grünen bis zur AfD – abgelehnt. Und das, obwohl die Bilanz im Landkreis nicht weniger desaströs ist als im Bund oder in Europa: Das Ziel 2020 ein Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen wurde deutlich verfehlt, beim Umstieg vom Auto auf öffentlichen Personennahverkehr hat sich bis jetzt nichts verbessert, der Ausbau der Windkraft ist praktisch zum Erliegen gekommen, die Versiegelung der Landschaft für Gewerbe und Eigenheime setzt sich ungehindert fort.
„Während das EU Parlament zumindest versucht den Tatsachen ins Auge zu sehen, hatten sich im Kreistag alle Parteien – von AfD bis GRÜNE – nicht dazu durchringen können“, so Stefan Walther, Abgeordneter der Gießener Linke, „den auf Antrag der Gießener Linke geforderten Klimanotstand auszurufen. Bei uns im Landkreis ist doch alles gut, von Notstand kann keine Rede sein, so der einmütige Tenor von FW, SPD, GRÜNE, FDP und CDU. Und die AfD? Sie hat noch nicht mal versucht als Klimaskeptiker ihren Standpunkt darzulegen.“
Dabei hat der Antrag der Gießener Linke nicht nur symbolisch den Klimanotstand festgestellt, sondern auch konkrete Schlussfolgerungen beinhaltet, wie die prioritäre Beachtung der Klimafolgen bei allen Entscheidungen und Beschlüssen und die jährliche Berichterstattung in Sachen Energie- und Klimawende. Um den Worten auch Taten folgen zu lassen und wirksame Schritte einzuleiten, enthält der Antrag die Erhöhung der Mittel für den ÖPNV um je eine Millionen in den beiden kommenden Jahren, die Bereitstellung von 500.000 Euro für den Bau von Fahrradwegen und -straßen, die Ausdehnung des Gießen Passes in ÖPNV für den Landkreis für sozial Schwache Menschen sowie die sofortige Einführung des Jobtickets für die Beschäftigen im Landkreis. Beschlossen wurde allein die jährliche Berichterstattung.
„Der EU-Beschluss ist eine schallende Ohrfeige für die Kreistagsmehrheit. Sie ist gut darin, dicke Papiere und Konzepte mit wohlfeilen Zielen zu erstellen. Aber auch ihr“, so der Fraktionsvorsitzende der Gießener Linke, Reinhard Hamel, „sollte inzwischen aufgegangen sein, dass die Klimawende nicht auf dem Papier stattfindet.“