Kurden und Yesiden in der Offensive
Türkisch-kurdische Volksbefreiungseinheiten (HPG, YJA-Star), syrisch-kurdische Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ), Verteidigungseinheiten der Yesiden (einer religiösen Minderheit im Irak und in Syrien) und irakisch-kurdische Peschmerga haben eine koordinierte Offensive gegen die Terrorbanden des faschistischen “Islamischen Staat” (IS) gestartet. Unterstützt werden sie durch Bombardements der US-Luftwaffe.
Ziel ist die Befreiung weiterer Teile der Provinz Şengal im Nord-Irak. Der nördliche Teil der Berge um die Stadt Sinjar wurde innerhalb von zwei Tagen zurückerobert. Zurzeit wird die Offensive auf den Süden ausgedehnt und die Einnahme von Sinjar hat gestern begonnen. Diese strategisch wichtige Stadt liegt an einer Hauptversorgungsroute des IS zur irakischen Großstadt Mossul.
Die Peschmerga-Einheiten aus der nordirakischen Autonomen Region Kurdistan (KRG) haben sich der Offensive am Dienstag angeschlossen. Der türkische Außenminister Siniroglu hatte erst Anfang der Woche den irakisch-kurdischen Premierminister Necirvan Barzani um eine verstärkte Zusammenarbeit gegen die PKK und YPG/YPJ ersucht. Doch die Masse der Bevölkerung in den irakischen Kurdengebieten forderte den gemeinsamen Kampf gegen den IS.
Parallel dazu haben die Syrischen Demokratischen Kräfte (QSD), ein Zusammenschluss von 13 kurdischen, arabischen und christlichen Organisationen – in denen YPG/YPJ das Hauptkontingent stellen – weitere Fortschritte zur Befreiung der Provinz Cizire in Nordsyrien und zur Verbindung der verschiedenen Kantone Rojavas gemacht. “Diese Operation umfasst ein großes Gebiet. Es ist notwendig, dass wir einen Korridor zwischen Hesekê und dem Şengalgebirge öffnen”, erläutert YPG-Kommandant Rüstem Zal im Interview mit der “Informationsstelle Kurdistan”. Seit Mitte Oktober dringen YPG und YPJ auch von der Stadt Girê Spî (Tal Abyad) an der türkischen Grenze weiter Richtung Westen vor, und vertreiben den IS von dort. Die YPG nähert sich dabei dem Ort Jarabulus, dem letzten Grenzübergang des IS-besetzten Gebiets zur Türkei.
Die gemeinsame Offensive kurdischer Kräfte im Bündnis mit Kämpfern anderer Nationalitäten der Region ist sehr zu begrüßen. Umso skandalöser ist es, wie die mit der Merkel-Regierung verbündete türkische Regierung vorgeht. Bei Girê Spî beschießt die türkische Armee weiter Stellungen der YPG mit schweren Waffen. Sie verschärft auch die Luftangriffe im nordirakischen Kandil-Gebirge und ihre Unterdrückung der Kurden innerhalb der Türkei. Nach Verhängung einer Ausgangssperre drangen Kampf- und Schützenpanzer brutal in die Kreisstadt Silvan in der Provinz Diyarbakir ein. Dabei wurden mindestens sechs Menschen ermordet. Die Patriotisch-Revolutionäre Jugendbewegung verteidigt die Stadt durch die Errichtung von Barrikaden und Gräben.
Kurz vor dem G20-Gipfel zu Syrien erneuerte der türkische Präsident Erdoğan seine Forderung zur Errichtung einer angeblichen “Sicherheitszone” in der Region Cizire. Heuchlerisch rechtfertigt er das damit, dass in eine “von Terroristen gesäuberten” Zone syrische Flüchtlinge zurückkehren könnten. Wenn ihm die syrischen Flüchtlinge so am Herzen liegen, warum verweigert er dann – mit Duldung der Bundesregierung – beharrlich einen humanitären Korridor von der Türkei nach Kobanê? Für den Wiederaufbau der syrisch-kurdischen Stadt, in die bereits wieder 180.000 Menschen zurückgekehrt sind, wird dieser humanitäre Korridor dringend benötigt. Tatsächlich geht es Erdoğan mit der “Sicherheitszone” vor allem darum, die Schaffung eines zusammenhängenden selbstverwalteten Kurdengebietes in Nordsyrien zu verhindern.