Die Abschaffung des Bürgergeldeshnsinnige: « Sozialkürzung vertiefen gesellschaftliche Spaltung

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kritisiert zu Recht die Beschlüsse der schwarz-roten Koalition mit diesen Worten. Das Bürgergeld soll künftig nicht mehr so heißen, und wer nicht »arbeitswillig« ist, muss mit härteren Konsequenzen rechnen als bisher. Äußerungen der Unionsparteien nach der Koalitionseinigung, das Bürgergeld sei Geschichte, ...

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Keine Abschiebung von Schülerinnen und Schülern!

Keine Abschiebung von Schülerinnen und Schülern!

Der Kreistag verurteilt die Praxis, Kinder während des Unterrichts, auf dem Schulweg oder direkt aus Bildungseinrichtungen zur Abschiebung abzuholen, als unvereinbar mit dem Schutz des Kindeswohls und dem Charakter von Schulen als angstfreie Räume. Wir fordern alle zuständigen Stellen auf, Bildungseinrichtungen als Tabuzonen für Abschiebungen anzuerkennen ...

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Bundeswehr trimmt Städte und Gemeinden auf Kriegstüchtigkeit

Das Recherche-Kollektiv Correctiv hat in einem Artikel aufgedeckt, dass die Bundeswehr Kommunen auf Kriege vorbereitet. Rote Fahne News dokumentiert Auszüge. Dienstag,  02.09.2025,  17:55 Uhr Hochrangige Vertreter der Bundeswehr statten seit einigen Wochen Bürgermeistern und Landräten bundesweit Besuche ab – und legen ihnen nahe, ihre Kommunen ...

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Bürgergeld: Einkommen bei Mindestlohnbeschäftigung deutlich höher als mit Grundsicherung – Zahlen zu allen Landkreisen und Städten

Auch wer zum Mindestlohn arbeitet, hat ein deutlich höheres verfügbares Einkommen als vergleichbare Personen, die Bürgergeld beziehen. Das gilt überall in Deutschland und unabhängig von der Haushaltskonstellation. Im deutschen Durchschnitt liegt der Einkommensvorteil bei 557 Euro monatlich im Falle einer alleinstehenden Person, die Vollzeit zum ...

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Wie geht es den Menschen im Bürgergeldbezug? – Ein Stimmungsbild nach zwei Jahren Bürgergeld

Von Sanktionsfrei Knapp zwei Jahre nach der Einführung des Bürgergelds plant die Koalition eine “Neue Grundsicherung” mit beachtlichen Verschärfungen. Dabei hat es bisher noch keine umfassende wissenschaftliche Evaluierung des Bürgergelds gegeben und die Betroffenen selbst sind in der Debatte kaum gehört worden. Wir haben deshalb gemeinsam mit ...

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Trumps »Big Beautiful Bill« - Der schleichende Weg zur US-Schuldenkrise

Marathondebatte zu Trumps »Big Beautiful Bill« – die Republikaner sind siegesgewiss, die Demokraten protestieren gegen Steuergeschenke an Milliardäre. Im Senat läuft die Debatte zum Steuer- und Haushaltsgesetz der Republikaner heiß – dank der Stimme des Vizepräsidenten Vance gibt es eine hauchdünne Mehrheit. Für Donald Trump ...

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Paritätischer: Zurückweisungen sofort beenden

10. Juni 2025 Der Paritätische Wohlfahrtsverband appelliert anlässlich der morgen beginnenden Innenministerkonferenz an eine Rückkehr zu verantwortungsvoller Migrationspolitik. Europarechtswidrige Zurückweisungen müssen sofort beendet und legale Zugangswege ausgebaut werden. Zudem fordert der Paritätische eine nachhaltige Finanzierung für Beratungs- und Integrationsstrukturen. Anlässlich der 223. Sitzung ...

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Dran, dran, dieweil das Feuer heiß ist! Vor 500 Jahren endete der Deutsche Bauernkrieg in Thüringen mit der Schlacht bei Frankenhausen

»Die Herren machen das selber, dass ihnen der arme Mann feind wird«, schrieb der Prediger und Anführer der Thüringer Bauern, Thomas Müntzer, in seiner »Hochverursachten Schutzrede« gegen Martin Luther im September 1524. »Die Ursach des Aufruhrs wollen sie nit wegtun. Wie kann es die Länge ...

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Leithammel sucht Leitkultur

Kultur bedeutet immer Verzicht und Ausschluss – der Bundesinnenminister ruft dazu auf, das »vorzuleben«

Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit, wo wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit. Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1838)

Von Kultur ist immerfort die Rede, von Anerkennungs-, Erinnerungs-, Unternehmens-, Willkommens- und Wohlfühlkultur. Berufspolitiker und Kulturbeauftragte, Festredner und ihr Publikum fühlen sich gehoben, wenn das Tagesgeschäft mit dem K-Wort verbrämt wird. Da aber ein jeder nach dem schreit, was er nicht hat, können wir dem inflationären Gerede entnehmen, dass es den Kulturpropagandisten an Kultur gebricht.

Jede Realpolitik muss legitimiert, also propagandistisch abgesichert werden. Was Frontex für die Sicherung der »Außengrenzen« der EU leistet, das leistet die »Leitkultur« im Bereich der Massenpsychologie. Sie puscht den (stets prekären) kollektiven Narzissmus durch Nachrüstung der altbewährten Mauern zwischen dem Klub der Alteingesessenen, Zugehörigen und den Fremden und Zugereisten, die ihm nicht beitreten dürfen. Der frühere Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU (und heutige Manager) Friedrich Merz postulierte im Jahr 2000 – im Zusammenhang mit der Revision des Staatsbürgerschaftsrechts – eine »deutsche Leitkultur« zwecks Abgrenzung von muslimischen Zuwanderern. Jetzt hat der CDU-Innenminister Thomas de Maizière in Bild diesen ethnozentrischen Kampfbegriff abermals ins Spiel gebracht. Es geht ihm vor allem darum, im Vorwahlkampf potentielle Wähler der AfD für die CDU/CSU zurückzugewinnen.1

»Kultur« ist, folgen wir Sigmund Freud, einem ihrer materialistischen Kritiker, die Gesamtheit der Techniken, Deutungen und Institutionen, die der Verteidigung der Menschen gegen die äußere und ihre eigene Natur – also zur Distanzierung von Natur – dienen.2 Zu diesem Arsenal gehören Herrschafts- und Trostmittel (wie die Kulturideale, die in Religion und Kunst formuliert und gestaltet werden). Die uns bekannten Kulturen waren – wie die gegenwärtigen – Kulturen des Verzichts, der Ungleichheit und der Exklusion; sie waren (und sind) so repressiv wie provinziell. Als »Kulturideale« werden Verzichtleistungen prämiert, die privilegierte Minderheiten den von ihnen beherrschten Mehrheiten auferlegen. Der Kult solcher Ideale (oder »Werte«) stiftet eine illusionäre Gemeinschaft zwischen Herrschenden und Beherrschten, die zumeist stark genug ist, um den Kampf gegen soziale Ungleichheit hintanzuhalten und die Aggressionen der Mehrheit gegen Nichtzugehörige zu richten: Ketzer im Inneren und feindliche Kollektive jenseits der Grenzen. Eine »Kultur«, die diesen Namen verdiente, gibt es noch nicht; sie muss erst noch erkämpft werden. Sie wäre eine, die zur »Leitung« von Menschen nicht taugt, nämlich eine, die »keinen mehr erdrückt«.3

De Maizières Thesen zu einer deutschen Leitkultur sind ein Hohelied auf den Ethnozentrismus.4 Die Gemeinschaft der Zugehörigen (oder Staatsbürger), die »Teil des Landes« seien, und ihr »Zusammenhalt« werden beschworen. Sie müssen zusammenhalten gegen diejenigen, die die Leitkultur der Zugehörigen nicht »kennen, vielleicht nicht kennen wollen oder gar ablehnen«, die also jenseits der Leitplanke leben und »denen die Integration wohl kaum gelingen« wird. Von der »Leitkultur« (oder dem »Kulturkreis«) der Deutschen heißt es zum einen, das sei dasjenige, »was uns ausmacht und was uns von anderen unterscheidet«, ja sogar das, »was uns im Innersten zusammenhält«. Das wäre also der gemeinsame Nenner aller Deutschen oder so etwas wie ihr ›Wesen‹. Zum andern aber ist die Leitkultur eine (ungeschriebene) »Richtschnur des Zusammenlebens« (also ein Postulat).

Die Leitkultur setzt sich, wie der Innenminister glaubt, aus verschiedenen, höchst ungleichartigen Komponenten zusammen. Das sind für ihn zunächst die gemeinsame Sprache und das (vielfach revidierte) 1949er Grundgesetz mit dem »Würde«-Artikel und den anderen Grundrechten. Sodann handelt es sich um »hier erprobte und weiterzugebende (soziale) Lebensgewohnheiten«, »die Ausdruck einer bestimmten Haltung sind«. Diese Haltung offenbart sich in de Maizières forschen Thesen: »Wir sind nicht Burka«; »Wir fordern Leistung« (»Der Leistungsgedanke hat unser Land stark gemacht«); »Wir sind Kulturnation« (denn Bach und Goethe »waren Deutsche«); »In unserm Land ist Religion Kitt und nicht Keil der Gesellschaft« …

Stolz und Stärke sind Prämien, die denen winken, die die Leitkultur »vorleben«: »Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark. Stärke und innere Sicherheit führen zu Toleranz gegenüber anderen.« Dass dem nicht so ist, lehrt aber (unter anderem) die deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts. Von dieser Geschichte sagt de Maizière euphemistisch, sie habe im »Ringen um die deutsche Einheit in Freiheit und Frieden mit unseren Nachbarn« bestanden, und in bezug auf diese Geschichte gehe es jetzt um »das Ringen um Freiheit und das Bekenntnis zu den tiefsten Tiefen unserer Geschichte«. Ja, zu den tiefsten Tiefen soll’n die Deutschen sich »bekennen«, nicht etwa sie gut kennen und dem Sog solcher Tiefe künftig widerstehen lernen. »All das ist vorbei, vor allem in der jüngeren Generation«, blökt der Leithammel. Dies Nichtverständnis fortwirkender Geschichte in der Gegenwart erklärt auch de Maizières Vertrauen zu den »erprobten Lebensgewohnheiten« und »Haltungen« der vielen Deutschen, die Bach und Goethe nur dem Namen nach kennen (»Wir sind Kulturnation!«), oder jenes Fünftels von ihnen, dessen antisemitisch-xenophobe und autoritäre Attitüden in jeder einschlägigen empirischen Studie seit 1950 nachgewiesen worden sind.

Sowenig wie die Gesellschaft ist die Kultur, ihr Spiegel, ein harmonisches Ganzes. Beide präsentieren sich als Bündel von Widersprüchen. Ist die Gesellschaft geprägt vom unaufhörlichen Ringen um Zeit (oder, was dasselbe ist, um das Mehrprodukt), so ist die Kultur die Sphäre, in der diese Wirklichkeit mit aus ihr (und gegen sie) entwickelten Antizipationen eines anderen oder »richtigeren« Lebens konfrontiert wird. Von deutscher Kultur als von einer »Leitkultur« reden kann man nur, wenn man unterschlägt, dass diese Kultur nicht nur Bach und Goethe, sondern eben auch die braune Pest aus sich hervorgebracht hat.

1 Thomas de Maizière: » ›Wir sind nicht Burka‹. ­Leitkultur für Deutschland, was ist das eigentlich?« Bild, 29. 4. 2017.

2 Sigmund Freud (1927): Die Zukunft einer Illusion. Gesammelte Werke Bd. XIV. Frankfurt a. M. 1963, S. 323–380.

3 Freud, a. a. O. (Anm. 2), S. 374.

4 In dem Text ist 55mal von »wir« und öfter noch von »uns« die Rede.

Helmut Dahmer, jw, 13.05.17