Osterpost bleibt liegen
Über 10.000 Post-Beschäftigte streiken für Arbeitszeitverkürzung und gegen Fremdvergabe. Ausstand bei Amazon fortgesetzt. Tausende Pakete bleiben im Depot
Manche dürften dieser Tage vergeblich auf die Ostergrüße von der Oma oder den Schokohasen von Amazon warten. Denn es wird gestreikt. Bei der Deutschen Post legten am Mittwoch mehr als 10.000 Beschäftigte die Arbeit nieder, um gegen Pläne zur Fremdvergabe der Paketzustellung und für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu protestieren. Zugleich hat ver.di den Ausstand in den meisten Verteilzentren des Versandhändlers Amazon bis Donnerstag abend verlängert.
In allen 16 Bundesländern hat ver.di am Mittwoch die Brief- und Paketzusteller der Post AG zu vorübergehenden Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Auch am heutigen Donnerstag soll der Ausstand weitergehen. »Die ver.di-Mitglieder machen jetzt Druck. Wir erwarten vom Post-Vorstand ernsthafte und konstruktive Verhandlungen zu unserer Forderung nach einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich«, erklärte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis in einer Mitteilung. »Die Beschäftigten der Deutschen Post AG arbeiten hart und es ist unerträglich, dass sie von ihrem Arbeitgeber mit der Auslagerung von Arbeitsplätzen bedroht werden.«
Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Gründung von 49 Regionalgesellschaften in der Paketzustellung, mit denen sich die Post der Bindung an den Haustarifvertrag und der Mitbestimmung des Betriebsrats entledigen will. Die Gewerkschaft bezeichnet das als Vertragsbruch, da eine Tarifvereinbarung festschreibt, dass maximal 990 Paketzustellbezirke an konzerninterne oder externe Unternehmen vergeben werden dürfen. In den neuen Regionalgesellschaften sollen aber bereits im ersten Schritt 5.000 Zustellbezirke eingerichtet werden. Perspektivisch will der Konzern dort 10.000 oder gar 20.000 »neue Arbeitsplätze« schaffen. Zugleich dürften viele der rund 24.000 befristet Beschäftigten bei der Post AG ihren Job verlieren.
Als Reaktion hat ver.di nicht nur Klage eingereicht, sondern auch die Tarifverträge zur Arbeitszeit gekündigt. Ihre Forderung: Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich – »als Kompensation« für den Vertragsbruch. Schließlich hätten die Beschäftigten für den Ausschluss weiterer Fremdvergaben seinerzeit auf arbeitsfreie Tage und Kurzpausen verzichtet, so eine ver.di-Sprecherin am Mittwoch auf jW-Nachfrage.
»Die Deutsche Post AG ist ein gesundes DAX 30-Unternehmen, das jetzt den Hals scheinbar nicht vollkriegt«, kritisierte Lars-Uwe Rieck, Leiter des ver.di-Fachbereichs Postdienste im Landesbezirk Nord. »Wer Teile der Beschäftigten als Melkkühe missbrauchen will, kann sich auf Gegenwehr gefasst machen.« Dass das Potenzial für Widerstand bei den Postlern groß ist, haben sie am Mittwoch gezeigt. Allein in Hessen blieben nach Gewerkschaftsangaben zunächst rund 1,5 Millionen Briefe und 70.000 Pakete liegen.
Die Arbeitsniederlegungen bei der Post und ihrem Paketdienstleister DHL bedeuten auch Rückenwind für die Streikenden bei Amazon. Denn etliche Produkte des US-Versandhändlers blieben dadurch ebenfalls in den Depots. Am Dienstag hatte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bei einer Kundgebung am Amazon-Standort Werne betont, überall gebe es »ein gemeinsames Ziel: Tarifverträge, die ein vernünftiges Leben und gute Arbeitsbedingungen ermöglichen«. Der Kampf bei Amazon habe die Solidarität der gesamten Gewerkschaft. Der Post-Streik hat diese Solidarität nun auch praktisch erlebbar gemacht.