Tarifabschluss bei der Post: Kernziel nicht erreicht
Nach vier Wochen endete der Streik bei der Deutschen Bundespost. Am 8. Juni hatte ver.di zu unbefristeten Arbeitsniederlegungen aufgerufen, nachdem es seit Anfang April immer wieder Warnstreiks gegeben hatte. Bezieht man diese mit ein, währte der Arbeitskampf insgesamt 52 Tage. Zuletzt waren daran rund 32.000 Beschäftigte beteiligt.
Eine der gängigen Tarifrunden war das nicht. Die Lohnerhöhungen für die 140.000 Postbeschäftigten sind niedrig ausgefallen: 400 Euro Einmalzahlung in diesem Jahr, +2% im Oktober 2016 und +1,7% im Oktober 2017 – ver.di hatte ursprünglich 5,5% mehr Lohn gefordert. Die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Wochenstunden ist ganz unter den Tisch gefallen. Angesichts der guten Konzerngewinne[1] wäre – wenn es allein darum gegangen wäre – mehr drin gewesen.
Aber nicht Lohnanhebungen waren das vorrangige Ziel, sondern die Verhinderung von massiven Lohnabsenkungen. Um die zu realisieren, hat die Post Anfang des Jahres Regionalgesellschaften (»DHL Delivery«) für den Paketdienst gegründet, in die schrittweise die mehr als 15.000 befristet Beschäftigten überführt werden sollten – mit einem Stundenlohn von 13,- Euro, der 4,70 Euro unter dem Haustarif der Post liegt. Mittlerweile arbeiten in diesen neugründeten GmbHs 6.500 Beschäftigte. Ihre Rückführung in den Post-Haustarif, die zentrale Forderung in diesem Tarifkonflikt, hat ver.di nicht durchsetzen können.
Die Unterschrift unter den neuen Vertrag begründet die stellvertretende ver.di-Vorsitzende, Andrea Kocsis, mit drei Regelungen, die Besitzstände sichern:
Die Überführung von weiteren 7.650 Beschäftigten aus dem Mutterkonzern in die outgesourcten Gesellschaften der Paketverteilung und -zustellung konnte verhindert werden.
Bis Ende 2018 verpflichtet sich das Unternehmen, neben dem Paketdienst nicht auch Teile des Briefverkehrs outzusourcen.
Der Kündigungsschutz bei der Post wird um vier Jahre bis Ende 2019 verlängert.
Doch diese Besitzstandswahrung ist teuer erkauft. Was für die Post-»Stammbelegschaft« gilt, trifft für Neueinstellungen nämlich nicht zu. Damit obliegt es allein der Personalpolitik des Unternehmens, Beschäftigungsaufbau primär in den Regionalgesellschaften zu betreiben. Exakt das ist der Plan: Laut Post-Personalvorstand Melanie Kreis soll der Personalbestand in den outgesourcten Bereichen bis 2020 auf rd. 20.000 steigen, was den ursprünglichen Zielen der Post entspricht. Statt dafür den Gesamtbestand befristet Beschäftigter zu nutzen, wird die Strategie der Lohnsenkung nun über Neueinstellungen verfolgt.
Für ver.di ist der Deal mit großen Problemen behaftet. Erstens weil es zu einer manifesten Spaltung der Belegschaft kommt – diesmal eben weniger zwischen befristet und nicht-befristet, sondern zwischen Stamm- und Neubeschäftigten. Der 52tägige Arbeitskampf gründete aber gerade auf der Überwindung einer solchen Spaltung – es waren vor allem auch größere Teile der Stammbelegschaft, die gegen Outsourcing kämpften. Wenn die Regionalgesellschaften in der angepeilten Größenordnung etabliert sein sollten, wird der gemeinsame Kampf nur noch außerordentlich schwierig zu führen sein.
Wenn Beschäftigungswachstum vor allem für die ausgegründeten Bereiche geplant ist, wird die Folge – zweitens – sein, dass der Deckungsgrad des Haustarifvertrages Schritt für Schritt zurückgeht. In die Regelungen ist mithin ein schleichender Erosionsprozess eingebaut. Das wiederum bedeutet, dass die Auseinandersetzungen Ende 2018, wenn es darum geht, ob auch Teile der Briefpost ausgelagert werden, bereits unter verschlechterten Bedingungen organisiert werden müssen. Das gilt auch hinsichtlich der Frage, was ein Jahr später passiert, wenn der jetzige Kündigungsschutz ausläuft.
Die darin angelegte Schwächung gewerkschaftlicher Machtressourcen kann schließlich – drittens – auch die eigene Organisationsmacht betreffen. Denn welche stichhaltigen Argumente für den Eintritt in die Gewerkschaft gibt es, wenn Teile der nachwachsenden Generation – und um sie handelt es sich bei Neueinstellungen ja in erster Linie – den positiven Wert von guten Haustarifverträgen oder in anderen Fällen von Flächentarifverträgen als Beschäftigte zweiter Klasse gar nicht mehr erfahren?
[1] Siehe hierzu Otto König/Richard Detje: Jetzt geht die Post ab. Gegen Ausgliederung und Lohnabsenkung, SozialismusAktuell, 30.6.2015.
Otto König / Richard Detje, Sozialismus, 07.07.15