Trumps »Big Beautiful Bill« – Der schleichende Weg zur US-Schuldenkrise

Marathondebatte zu Trumps »Big Beautiful Bill« – die Republikaner sind siegesgewiss, die Demokraten protestieren gegen Steuergeschenke an Milliardäre. Im Senat läuft die Debatte zum Steuer- und Haushaltsgesetz der Republikaner heiß – dank der Stimme des Vizepräsidenten Vance gibt es eine hauchdünne Mehrheit. Für Donald Trump rückt damit ein wichtiger politischer Erfolg in Griffnähe.
Die letzte große Ratingagentur Moodys hat kürzlich den USA die Top-Bonität in der Beurteilung von Krediten entzogen. Sie begründete den Schritt damit, dass sich die Finanzlage der USA im Vergleich zu früheren Zeiten und zu anderen hochbewerteten Staaten voraussichtlich weiter verschlechtern werde. Man erkenne zwar an, dass die USA wirtschaftlich und finanziell stark seien – aber dies gleiche nicht mehr ganz den Rückschritt bei den Staatsfinanzen aus.
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken und Staaten. Es handelt sich gleichsam um eine Schufa auf Ebene von Staaten. Der SCHUFA-Bonitäts-Check im Alltag für Privatpersonen ist geeignet zur Weitergabe an Vermieter oder Arbeitgeber. Er bietet einen tagesaktuellen Nachweis der Bonität der Person und enthält nur Informationen, die für einen Vertragsabschluss relevant sind. Nicht mehr und auch nicht weniger.
Die einflussreichsten Ratingagenturen sind Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch. Je schlechter sie die Bonität eines Marktteilnehmers beurteilen, umso teurer und schwieriger wird es für diesen, sich neue Kredite zu besorgen. Am Rating orientieren sich nicht nur Banken, sondern zum Beispiel auch institutionelle Investoren. In der Tat sieht die Finanzlage der USA aktuell sehr angespannt aus.
Der US-Staatshaushalt läuft gegenwärtig auf ein jährliches Defizit von nahezu zwei Bio. US-Dollar – mehr als 6% des Bruttoinlandsprodukts hinaus. Allein im laufenden Jahr beträgt das Defizit 2.000 Mrd. US-Dollar. Doch was tut Präsident Trump? Anstatt einen Sparkurs anzustoßen oder die Steuereinnahmen zu erhöhen, propagiert er im Gegenteil einen massiven Ausbau der Schulden. Moody’s geht davon aus, dass ohne eine Kurskorrektur bei Steuern und Staatsausgaben das Haushaltsdefizit zum Jahr 2035 einen Anteil von fast 9% an der Wirtschaftsleistung erreicht.
Trump sprach zwar mehrfach davon, dass das Defizit gesenkt werden müsse – und setzte Tech-Milliardär Elon Musk als Kostensenker im Regierungsapparat ein. Die Einsparungen unter Musks Regie verfehlten jedoch bei weitem das versprochene Niveau. Und die aktuell im Kongress diskutierten Steuer- und Ausgabepläne drohen, das Defizit weiter zu erhöhen. Der bis kürzlich noch mit Einsparungen im Staatsapparat betraute Unternehmer kritisierte die geplante Erhöhung der Schuldenobergrenze und fordert stärkere Ausgabenkürzungen.
Musk warnt, dass Trumps Gesetzesvorhaben – von diesem als »Big Beautiful Bill« (»großes schönes Gesetz«) bezeichnet – zu einem höheren Haushaltsdefizit führen und die Staatsverschuldung noch weiter erhöhen werde. Er bezeichnete das Gesetzesprojekt als »widerliche Abscheulichtkeit« und warnte Kongressmitglieder, wer dafür stimme, werde bei den Zwischenwahlen im November 2026 abgewählt. »Es sollte ein neuer Ausgabenentwurf ausgearbeitet werden, der das Defizit nicht massiv erhöht.«
Dagegen die Botschaft des Präsidenten: Jede/r Amerikaner*in werde von seinem »Big Beautiful Bill« profitieren – dem milliardenschweren Gesetzespaket, mit dem Trump seine Wahlversprechen einlösen will; »Wir werden die Rekordsteuersenkung liefern. Wenn das Vorhaben nicht durchgeht, werden die Steuern um 68% steigen,« Gleichzeitig sieht das Mammut-Gesetzespaket neue Milliardenausgaben für das Militär und die Sicherung der Grenzen vor.
Große Steuersenkungen, aber auch viel mehr Schulden – das ist Trumps »Big Beautiful Bill«. Und darum dreht sich die politische Auseinandersetzung. Das Problem ist, dass Trump seinen Wähler*innen versprochen hat, dass er die Steuern senken kann, die staatlichen Kranken- und Rentenversicherungen oder die Verteidigungsausgaben nicht kürzt und gleichzeitig den Schuldenberg abbaut. Diese Rechnung kann nicht aufgehen, selbst wenn durch die Ausgabenpolitik das Wirtschaftswachstum befördert wird. Aber wer wie Musk daran zweifelt, gerät in Konflikt mit dem Präsidenten, wobei der Unternehmer in diesen Machtkampf keine gute Karten hatte: Gemäß einer ersten Umfrage stehen in dem Konflikt 71% der Republikaner hinter Trump, nur 6% halten zu Musk.
Schulden-Republik
Die US-Staatsschulden basierend auf Berechnungen des US-Schatzamtes beliefen sich auf 36,9 Bio. US-Dollar. Das sind über 700 Mrd. US-Dollar Schuldenwachstum seit Jahresbeginn 2025.Gründe sind die massiven Haushaltsdefizite und die hohe Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten. Mit der Herabsetzung der Bonität dürfte es für die USA etwas teurer werden, sich Kredite auf dem Kapitalmarkt über Staatsanleihen zu besorgen. »Aufeinanderfolgende US-Regierungen und der Kongress haben es nicht geschafft, eine Einigung über Maßnahmen zur Umkehr des Trends großer jährlicher Haushaltsdefizite und wachsender Zinskosten zu erzielen«, hieß es in der Erklärung der Ratingagentur.
Zusammengefasst:
- Absolut gesehen haben die USA die höchste Verschuldung weltweit.
- US-Staatsschulden zum Jahresende 2024: Über 36,9 Bio. US-Dollar.
- Der Schuldenstand steht auf neuem Rekordniveau und die Schulden steigen weiter rasant an.
- Rüstung, Konjunkturprogramme & Zinsen sind größte Schuldentreiber.
Die Schuldenquote des Bundes dürfte bis 2035 auf etwa 134% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen, verglichen mit 98% im Jahr 2024. Die Ratingagenturen gehen demnach auch nicht davon aus, dass die derzeit diskutierten Haushaltsvorschläge zu wesentlichen mehrjährigen Kürzungen bei den Pflichtausgaben führen werden.
Das US-Haushaltsdefizit hat zurzeit etwa 6-8% Anteil am BIP. Von 1960 bis zur internationalen Finanzkrise belief sich das Loch in der US-Staatskasse auf etwa 5% jährlich. Seit 2007 liegt es näher an 6%. Zum Teil ist das auf die höheren Staatsausgaben in Reaktion auf die Finanzkrise, die Corona-Pandemie und die Steuersenkungspolitiken zurückzuführen.
USA sind kein Einzelfall
100 Bio. US-Dollar – so hoch schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF) den öffentlichen Schuldenberg aller Länder weltweit. Mehr als ein Drittel davon entfällt auf die Vereinigten Staaten. Und diese fast 37 Bio. US-Dollar wachsen alle drei Sekunden um knapp 100.000 US-Dollar an. Zum Vergleich: Deutschland steht bei seinen Geldgebern mit rund 2,6 Bio. US-Dollar (2,5 Billionen Euro) in der Kreide.
Wieweit kann die US-Verschuldung weitergehen? Gibt es eine Grenze, bei der die mächtigste kapitalistische Nation keinen Kredit mehr erhält? Und was passiert, wenn dieser Zustand erreicht ist? Und: Welche Rolle spielt dabei die bisherigen Kreditgeber, also die Kapitalmärkte?
Der Anstieg der US-Staatsverschuldung kennt seit Jahren keine Grenzen mehr. Auch wenn es immer wieder die berühmten Schuldenobergrenzen – vom Kongress beschlossen – gab: Sie wurden erreicht, um dann immer wieder angehoben zu werden. Denn die strukturellen Defizite im US-Staatshaushalt sind gigantisch. Die Lage ist dramatisch, die Neuverschuldung wird immer stärker ein Problem, weil sie die Anleiherenditen oben halten könnte, und weil die zu leistende Zinslast immer weiter ansteigt. Der jüngsten immense Anstiege im Goldpreis dürfte zu einem gewissen Anteil auch an dieser Schuldenorgie liegen.
Die Zinslast des US-Staats verschlingt inzwischen mehr als für Verteidigung ausgegeben wird – ein Trend, der die fiskalische Stabilität der größten Volkswirtschaft der Welt bedroht. Die politische Polarisierung erschwert eine Ausgabenkontrolle.
»Big Beautiful Bill« wird zur Belastungsprobe
Mit einem milliardenschweren Gesetzespaket mit weiteren Ausgaben will Trump seine Wahlversprechen einlösen. Doch selbst bei seinen Republikanern im Kongress ist der Widerstand gegen den »Big Beautiful Bill« beträchtlich. 1.116 Seiten umfasst das Paket, das für jede Wählergruppe etwas bereithalten soll: kleine Steuergeschenke und Spar-Anreize für Familien und Arbeitnehmer*innen in schlecht bezahlten Jobs. Große Steuergeschenke für Reiche und Mega-Reiche. Hohe Einkommen und Kapitalerträge sollen ebenso niedriger besteuert werden, wie Überstunden und Trinkgelder. Oder, wie Trump es nennt: »die größte Steuersenkung in der Geschichte«.
Zugleich plant die Regierung hohe Ausgaben für Prestigeprojekte der Administration: 50 Mrd. US-Dollar für die Grenzmauer zu Mexiko, 150 Mrd. US-Dollar für neue Drohnentechnologie und den ersten Teil eines 175 Mrd. US-Dollar teuren Raketenabwehrsystems, das Militärexpert*innen als technisch eher unrealistisch einschätzen.
Kommen die Steuergeschenke durch, so bürdet dies den USA allein in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Schulden von 3.300 Mrd. US-Dollar auf – obwohl sich Amerika dies gar nicht leisten kann. Doch können die USA mit ihrer starken Wirtschaft aus diesen Schulden herauswachsen? Grundsätzlich ja, denn die US-Konjunktur ist auf Wachstumskurs: Im Jahr 2024 hat das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in den USA rund 2,8% betragen. Für das Jahr 2025 wird das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in den USA auf rund 1,8% prognostiziert. Der Einbruch während der Pandemie war geringer, die Erholung danach deutlich kräftiger als in vielen anderen Regionen der Welt.
Um knapp 12,5% ist das BIP der USA seit Ende 2019 gewachsen, das deutsche nur um 0,5%. Allerdings sind die USA nicht nur beim Wirtschaftswachstum, sondern eben auch beim Schuldenmachen Spitze: Das Haushaltsdefizit wurde zuletzt gegenüber der Zeit vor der Pandemie noch einmal ausgeweitet. Haupttreiber sind zum einen die mit dem Renditeanstieg zunehmenden Zinskosten. Zum anderen sorgten auch Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie wie etwa die Stimulus-Schecks für alle US-Haushalte im Umfang von über 800 Mrd. US-Dollar für wachsende Schuldenstände. Damit wird deutlich: Selbst das starke Wachstum und die damit einhergehenden höheren Steuereinnahmen reichen derzeit nicht aus, um die steigenden Ausgaben zu decken.
Trump verspricht den Amerikanern einen Wirtschaftsboom, falls die »One Big Beautiful Bill« Praxis wird. Trump feiert den »großartigen Sieg« bereits: Auf Truth Social lobt er die republikanischen Senatoren als »wahre Patrioten« und verspricht einen Wirtschaftsboom und weniger Verschwendung von Steuergeldern. Die Anleihenmärkte haben im Mai allerdings nervös reagiert, als ein erster Entwurf das Repräsentantenhaus passierte.
Das Problem: Eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht. Während Steuererleichterungen und keine weitreichenden Erhöhungen anstehen, die Einnahmen damit (wenn überhaupt) stabil bleiben, dürften die Ausgaben in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen. Verantwortlich dafür ist – neben den weiter zunehmenden Zinskosten – vor allem die alternde Bevölkerung, die die Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme in die Höhe treibt.
Massive Aufrüstung, hohe Kosten für die Re-Migration und Steuersenkungen werden ergänzt durch Kürzungen im Sozialbereich, vor allem bei Medicaid. Und da das Sparpotenzial bei den sonstigen, variablen Ausgaben schon weitgehend ausgeschöpft ist, lässt sich das Problem ohne eine umfassende Reform eben dieser Sozialsysteme nicht lösen. Allerdings gibt es in beiden US-Parteien keine Bereitschaft, dieses unbeliebte Thema anzugehen. Die Verschuldung wird damit voraussichtlich unvermindert ansteigen.
Drei Faktoren lassen befürchten, dass der gegenwärtige Schuldenrausch in einer Krise mündet: Erstens erreicht die kapitalistische Weltwirtschaft nicht mehr die Wachstumsraten von früher. Länder aber, die stagnieren, können sich auch weniger Schulden nicht leisten. Zweitens schrumpft in den meisten Hauptländern die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Damit verteilt sich die Schuldenlast auf weniger Schultern. Die Sozial und Gesundheitsausgaben steigen. Drittens, auch die forcierte Aufrüstung bindet gesellschaftliche Ressourcen und durch diesen Kurs bleiben die Maßnahmen gegen die ökologischen Krisen auf der Strecke.
Aber gibt es einen Punkt, ab dem es zu viel ist? An dem der Kapitalmarkt die Schuldentragfähigkeit der USA testet – und damit die Politik zum Handeln zwingt? Die Zinszahlungen stehen für ungefähr 13% aller Ausgaben auf Bundesebene und sind bereits höher als der Verteidigungsetat.
Die Ausgaben für den Schuldendienst dürften in den nächsten Jahren steigen, wodurch die US-Regierung immer weniger Spielraum hat, um in andere Politikbereiche oder in die Infrastruktur zu investieren. Im Verhältnis zum BIP machen die Zinszahlungen bereits heute 3% aus. Der Anteil ist seit 2022 stark gestiegen, nachdem die US-Zentralbank die Niedrigzinsphase beendet hatte. Das Haushaltsbüro des Kongresses geht davon aus, dass die Zinsbelastung in den kommenden Jahrzehnten zunehmen wird. Der wachsende Schuldenberg führt dazu, dass der US-Zentralstaat so viel Geld für den Schuldendienst aufwenden muss wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Die Republikaner wollen mit dem BBB-Gesetz wichtige politische Ziele erreichen: weitere Steuersenkungen, strengere Bedingungen für die Sozialhilfe sowie einen Abbau von Gesundheitsleistungen unter Obamacare. Ob das historische Wirtschaftswachstum, das Trump und die Republikaner versprechen, eintritt, muss sich erst nicht zeigen.
Schulden-Management
Die Finanz-Investoren blicken nervös auf die Staatsverschuldung der USA. Finanzminister Scott Bessent versuchte die Vertreter des moneyed-capital zu beruhigen: »Die USA werden niemals bankrottgehen.« Man sei sich der Gefahren der Schuldenlast bewusst und werde »niemals gegen die Wand fahren«. Vor diesem Dementi hatte Jamie Dimon, der Chef der größten amerikanischen Bank JP Morgan Chase, gewarnt, die USA könnte auf eine Staatsschuldenkrise zusteuern.
Für Besorgnis sorgt einerseits das Haushaltsgesetz, das Trump nun durch den Kongress bringen will. Anderseits sorgt bei den Finanzkapitalisten für Unbehagen, dass Vertreter*innen der Trump-Administration immer wieder mit einem Schuldenschnitt auf amerikanische Staatsanleihen liebäugeln. Trumps Wirtschaftsberater Stephen Miran hat im »Mar-a-Lago-Abkommen« die Idee aufgebracht, amerikanische Schuldtitel in niedrig verzinste Anleihen mit hundertjähriger Laufzeit umzuwandeln. Die ausländischen Anleger*innen müssten so einen Preis dafür bezahlen, dass sie in die Weltleitwährung US-Dollar investieren.
Für die USA ist es entscheidend, dass die Finanzkapitalisten dem Land die Treue halten und weiter Staatsanleihen kaufen. Anzeichen dafür, dass dies sich bald ändern wird, gibt es kaum. Denn der Markt für US-Anleihen ist so liquid wie kein anderer. Es ist sehr einfach, Anleihen in großer Menge zu kaufen und zu verkaufen, womit solche Anlagen sehr attraktiv sind. Entsprechend können die USA ihre Schulden relativ günstig finanzieren.
Schwacher US-Dollar
US-Präsident Trump sorgt mit seiner erratischen Zollpolitik für einen Ausverkauf beim Dollar – naht nun das Ende als Weltreservewährung? So schwach wie aktuell war der US-Dollar seit der Abkopplung vom Goldstandard 1973 nicht mehr. Er hat in den ersten sechs Monaten des Jahres den stärksten Wertverlust seit mehr als 50 Jahren verzeichnet. Einem Bericht der »New York Times« zufolge ist die US-Währung seit Jahresbeginn gegenüber einem Korb wichtiger Währungen um mehr als 10% gefallen. Analysten machen Trump dafür verantwortlich.
Ein schwacher US-Dollar hat Vorteile für Verbraucher*innen. Er macht Waren, die international in US-Dollar gehandelt werden, günstiger, was die Inflation in Deutschland und Europa insgesamt bremst. Auf der anderen Seite kann eine US-Dollar-Schwäche aber auch negative Folgen für die Weltwirtschaft haben und das globale Finanzsystem grundlegend verändern.
Was sind die Gründe für den Dollar-Verfall? Ein wesentlicher Grund liegt in der chaotischen Zollpolitik von Trump, die viel Unsicherheit schürt und den Kurs des US-Dollar belastet. Hinzu kommt eine harsche Kritik an US-Notenbankchef Jerome Powell, den der Präsident auf »Truth Social« als »Loser« bezeichnete, dessen Entlassung nicht früh genug kommen könne.
Auch wenn Trump bei der Kritik zurückgerudert ist, bei Expert*innen bleibt Skepsis. Viele halten es für wahrscheinlich, dass die Unsicherheit über die Unabhängigkeit der Fed noch länger anhält, die der Präsident immer wieder angreifen werde, sollte sie die Zinsen nicht bald senken. Die Verunsicherung der Märkte zeigt sich auch darin, dass sich nach wie vor viele Investoren gegen einen weiteren Absturz des US-Dollar absichern.
Der US-Dollar ist unangefochten die Weltleitwährung. So halten Notenbanken ihre Reserven größtenteils in US-Dollar. Wichtige Rohstoffe werden in der Regel in US-Dollar gehandelt und die meisten Devisentransaktionen laufen über die US-Währung. Zudem bieten die USA den größten Finanzmarkt der Welt, der allen Anleger*innen offensteht.
Wichtig ist vor allem der riesige Markt für US-Staatsanleihen, in dem nahezu unbegrenzt Mittel angelegt werden können. Vor allem China und Japan haben in den vergangenen Jahren gewaltige Summen in amerikanische Anleihen gesteckt und zählen zu den größten Auslandsgläubigern der USA.
Der Kursverfall des US-Dollar macht Rohstoffe, die in der US-Währung gehandelt werden, auf dem Weltmarkt tendenziell günstiger und senkt damit auch die Energiekosten für die US-Verbraucher*innen. Zuletzt hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde zudem die Einschätzung vertreten, dass die Folgen der US-Zollpolitik die Inflation in der Eurozone sogar eher dämpfen könnten.
Ein Kursverfall des US-Dollar hat auch positive Auswirkungen auf die Urlaubskasse von Tourist*innen in den USA. Die Preise für Hotels, Restaurantbesuche oder Mietwagen haben sich dort zwar nicht verändert, aber die Urlauber*innen aus der Eurozone bekommen mehr für ihr Geld. Jedoch zeigen jüngste Daten, dass dieser Effekt wenig Einfluss auf die Auswahl des Urlaubsziels hat. Vielmehr scheint sich die Politik der US-Regierung auf den Tourismus auszuwirken. Wie das US National Travel and Tourism Office jüngst mitteilte, ist die Zahl der deutschen Urlauber*innen in den USA im März um fast 30% eingebrochen.
Ist der Dollar als »sicherer Hafen« in Gefahr und gibt es Alternativen?
Die Märkte reagierten reflexartig mit immer gleichem Muster auf internationale Krisen: Der Kurs des US-Dollar legte zu und die Renditen für US-Staatsanleihen gaben wegen einer höheren Nachfrage nach. Mit der chaotischen Zollpolitik der neuen US-Regierung wurden die eingespielten Abläufe aber außer Kraft gesetzt. Die aggressive Zollpolitik von Trump nährt Zweifel an der Sicherheit des US-Finanzmarkts. US-Anleihen gerieten plötzlich unter Druck und wurden nicht mehr als sicherer Hafen gesucht. Die USA dürften jedoch alles tun, den Status des US-Dollar als Weltleitwährung zu erhalten, denn nur so können sie sich zu günstigen Zinsen finanzieren. Der Euro ist bisher keine Alternative, auch wenn er zuletzt von der Dollar-Schwäche profitierte. Will Trump Dollar gezielt schwächen, um die US-Exporte zu stärken?
Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump immer wieder beklagt, dass die USA im internationalen Handel »unfair« behandelt werden. Während erfolgreiche Exportnationen wie Deutschland einen riesigen Überschuss in der Handelsbilanz ausweisen, verfügt die USA über ein chronisches Defizit. Durch einen Kursverfall der US-Währung werden amerikanische Waren im Ausland allerdings günstiger, was die Exporte ankurbeln könnte. Gleichzeitig werden die Importe in die USA durch die aggressive Zollpolitik gebremst. Auf diese Weise will Trump das Handelsdefizit abbauen. Eine Strategie, die viele Expert*innen aber als wenig hilfreich einschätzen. Gleichwohl gilt: Alle Wege, die Staatsverschuldung abzubauen, führen zu einem schwächeren US-Dollar.
Mit einem Gesetz hat Trump Steuerkürzungen verlängert, die teilweise bereits während seiner ersten Präsidentschaft 2017 beschlossen worden waren. Expert*innen zufolge könnten die Pläne allerdings zu mehr als fünf Bio. US-Dollar zusätzlichen US-Schulden im Laufe eines Jahrzehnts führen. Moody’s geht davon aus, dass ohne eine Kurskorrektur bei Steuern und Staatsausgaben das Haushaltsdefizit zum Jahr 2035 einen Anteil von fast 9% an der Wirtschaftsleistung erreicht. Der Präsident hat verstanden, wer wirklich den Takt vorgibt. Nicht er, sondern der Treasury-Markt.
Diese Reaktion zeigte die Schwachstelle im Machtsystem des US-Präsidenten: Anleihen sind Schulden – und damit der wunde Punkt jeder hochverschuldeten Regierung. 2024 lag das US-Zahlungsbilanzdefizit bei 1.130 Mrd. US-Dollar, das Budgetdefizit gar bei 1.833 Mrd. US-Dollar. Auch durch Einsparungen im Regierungsapparat und neue Einnahmen durch Zölle dürften diese Defizite laut Expert*innen nicht verschwinden. Sie müssten durch neue Schulden finanziert werden.
Davor warnt auch das Institute of International Finance (IIF), eine weltweite Vereinigung von Finanzhäusern, in seinem jüngsten Schuldenmonitor. Sollte Trump die Steuersenkungen von 2017 verlängern, könnte die Schuldenquote bis 2034 von heute 100 auf fast 130% des BIP steigen. Die Folge: eine noch größere Flut von US-Staatsanleihen. Doch ob die Märkte diese noch schlucken – und zu welchem Preis –, ist fraglich.
Rund ein Viertel der US-Schulden liegt in ausländischer Hand, die Hälfte davon bei staatlichen Akteuren. Damit diese weiterhin amerikanische Anleihen kaufen, müssen die USA als verlässlicher Partner gelten. Andernfalls wird es künftig schwieriger, ihre Schulden am Markt zu platzieren. Und teurer: Die Investoren würden höhere Renditen verlangen.
US-Staatsanleihen als Rückgrat des globalen Finanzsystems
Wäre dies der Fall, müsste der amerikanische Staat höhere Zinsen für seine Schulden bezahlen – aber nicht nur er. Da US-Staatsanleihen als eine Art Rückgrat des globalen Finanzsystems fungieren, müssten auch amerikanische Unternehmen mehr für Fremdkapital bezahlen. Und Privathaushalte müssten höhere Hypothekarzinssätze für Wohneigentum stemmen. Außerdem schlägt die Bewegung der Werte der US-Staatsanleihen auf die Finanzfonds durch. Die Bewertung der Depots muss korrigiert werden.
Finanzmarktexpert*innen halten diese Entwicklung für brandgefährlich. Denn US-Staatsanleihen fungierten bisher als eine Art sicherer Hafen an den Finanzmärkten. Dies hat sich stets in Krisenzeiten gezeigt, als Investoren in die Papiere flüchteten. Wenn US-Staatsanleihen als quasi risikolose Anlage und Wertspeicher wegfallen, hinterließe dies ein großes Problem an den Finanzmärkten und im Banksystem.
»Die USA entwickeln sich von einem Garanten der Stabilität zunehmend zu einer Quelle globaler Unsicherheit«, so eine verbreitete Einschätzung. Dies führt zu einer Kritik an dem »hektischen Aktivismus« der US-Regierung, der sich u.a. in erratischen Strafzollankündigungen und geopolitischen Manövern äußere. Nach 100 Tagen unter Präsident Trump sei der einst unwiderstehliche Sog der US-Wirtschaft verflogen.
Die Entwicklungen in den USA sind für europäische Sparer*innen und Anleger*innen genauso relevant wie für amerikanische Anleger*innen, geht es hier doch um Grundkonstanten des Finanzsystems. Auch der Aufkauf von Schulden durch die US-Notenbank oder eine erneute Finanz- und Schuldenkrise sind nicht auszuschließen.
Schuldenentwicklung als »Elefant im Raum«
Noch ist die US-Verschuldungssituation kein beunruhigendes Thema an den Märkten. Zwar herrscht Konsens, dass der Verschuldungspfad nicht nachhaltig ist. Der kritische Zeitpunkt scheint aber noch zu weit entfernt, als dass die Märkte mit ihrem kollektiven Verhalten schon jetzt den Druck auf die Politik durch einen »Käuferstreik« und damit steigende Renditen massiv erhöhen würden. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass ein solches Risiko am Markt zumeist nicht langsam über die Zeit, sondern sehr abrupt eingepreist wird. Häufig reicht ein vergleichsweise banaler Auslöser, der auf einen Mix an Faktoren trifft, die zwar lange bekannt und vorhersehbar waren, aber dennoch plötzlich in einem anderen Licht gesehen werden.
Perspektivisch müssen und werden die US-Renditen weiter steigen. Das Angebot an US-Treasuries dürfte sich unter der Trump-Regierung noch stärker ausweiten als zuletzt. Gleichzeitig hat sich auch die Nachfrage verschoben: Waren es vor rund zehn Jahren noch die Notenbanken (insbesondere die Fed) und ausländische Staaten, kaufen nun vor allem Investmentfonds US-Bonds. Diese sind aber deutlich preissensitiver als staatliche Institutionen – sie fordern am Ende eine angemessene (und zumeist etwas höhere) Rendite. Und: Ein stärker taktisch geprägtes Agieren dieser Marktteilnehmer*innen dürfte die Renditen künftig stärker schwanken lassen.