Gesundheit ist eine Ware
Der deutsche Krankenhausmarkt wird zunehmend von privaten Konzernen bestimmt
Krankenhausbehandlungen werden in diesem Jahr mehr als 60 Milliarden Euro kosten – davon profitieren zunehmend private Konzerne.
Die Zahlen sind beeindruckend: 18,6 Millionen Patienten wurden 2012 stationär im Krankenhaus behandelt, meldet das Statistische Bundesamt. Fast jeder vierte Bundesbürger. Rund 64 Milliarden Euro zahlten Kassen für Klinkbehandlungen – ein Drittel der Etats. Fast eine Million Menschen arbeiten in Krankenhäusern. Längst gelten die Deutschen als OP-Weltmeister: Allein 300 künstliche Hüftgelenke und über 200 Kniegelenke auf 100 000 Einwohner werden pro Jahr eingesetzt – deutlich mehr als in den USA, Norwegen oder Frankreich.
In seinem »Krankenhaus-Report« beklagt das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO), dass die Fallzahl in deutschen Klinken seit Jahren »auffällig« zunimmt. So ist die Zahl der stationären Behandlungen seit 2005 durchschnittlich um 11,8 Prozent je Einwohner gestiegen. Bezeichnend, dass vor allem jene Fallgruppen zulegen, »die wirtschaftlichen Gewinn versprechen«, so Jürgen Klauber vom WIdO. So verdoppelte sich die Zahl der teuren Wirbelsäulenoperationen.
Die Alterung der Gesellschaft ist nur ein Grund für den Anstieg; die medizinisch-technische Entwicklung ein weiterer. Darüber hinaus setze der ordnungspolitische Rahmen spezifische Anreize: Hatten früher Krankenhäuser ein wirtschaftliches Interesse daran, Patienten möglichst lange zu betreuen, sorgen die »Fallpauschalen« im sogenannten G-DRG-System seit 2004 dafür, dass Krankenhäuser an möglichst vielen Patienten mit möglichst aufwendigen Behandlungen interessiert sind.
Kommerztrend durch Privatisierung
Verschärft wird der Kommerztrend durch die Privatisierung vieler öffentlicher Krankenhäuser. Klamme Kommunen und freie Träger können oft die gestiegenen Kosten und den hohen Investitionsbedarf nicht mehr schultern, um mit der kapitalstarken Konkurrenz mitzuhalten. Von einst über 2400 Krankenhäusern sind heute nur noch rund 2000 am Markt, ein Viertel davon ist schon in privater Hand. Die Forscher des RWI beobachten eine »anhaltende Marktkonzentration«, also Zusammenschlüsse von Krankenhäusern. Vorangetrieben besonders durch private Klinikketten.
Den meist kleinen öffentlichen Krankenhäusern mit lokalem Bezug stünden »wenige Riesen« gegenüber, beklagt ver.di-Bundesvorstand Sylvia Bühler. Es drohe die Gefahr, dass nicht mehr die Politik, sondern das »Klinik-Monopoly« das Gesundheitswesen lenke und Kassen erpressbar würden. Im Vorsorge- und Rehabilitationsbereich stehen bereits fast zwei Drittel der Betten bei privaten Trägern – ein Blick in die Zukunft?
Durch die Ende vergangener Woche angekündigte Übernahme von 43 Kliniken der Rhön-Klinikum AG würde Fresenius größter Krankenhausbetreiber Europas. Die Rhön-Aktionäre sollen über eine Sonderdividende Kasse machen. »Zwei Milliarden Euro werden dadurch dem Gesundheitswesen entzogen«, kritisiert Professor Wulf Dietrich, Vorsitzender des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ). »Das Geld der gesetzlichen Krankenkassen fließt in die Taschen der Aktionäre.«
Selbst beim Ankeraktionär B. Braun gab es Widerstand: Der Klinikausstatter fürchtet um seinen größten Kunden: Zu Fresenius gehört ein eigener Lieferant. Der DAX-Konzern baut derweil auf »Skaleneffekte« – je größer, desto mehr Marktmacht, desto kostengünstiger. Schon jetzt berichten Insider, dass private Krankenhäuser einen schlechteren Stellenschlüssel bei Ärzten und Pflegern haben. Doch der deutsche Markt bietet noch genügend Potenzial für viel Wachstum, ist Fresenius-Chef Ulf Schneider überzeugt. Er baut auf weitere Privatisierungen.