Wohnfläche

Zu viel und zu wenig. Umverteilung im Bestand ist nötig. Der Wohnraum, der Haushalten zur Verfügung steht, gilt als wichtiges Maß zur Beurteilung der Wohnverhältnisse und hat sich im letzten Jahrhundert als Indikator für den gesellschaftlichen Wohlstand etabliert. Die Frage nach der ausreichenden Größe der Wohnungen ...

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Bezahlkarte für Geflüchtete: »Wir können gern eine für Politiker einführen«

HeHessen: Bündnis hilft Geflüchteten, trotz Bezahlkarte an Bargeld zu kommen. Ein Gespräch mit Desiree Becker Interview: Gitta Düperthalssen: Bündnis hilft Geflüchteten, trotz Bezahlkarte an Bargeld zu kommen. Ein Gespräch mit Desiree Becker Interview: Gitta Düperthal Auch das von CDU und SPD regierte Bundesland Hessen führt aktuell ...

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Zwei Koalitionsverträge mit dem BSW: »Es ist die Brombeerzeit, die dunkle«

Was war das für ein Anfang. Zuerst wurde eine Partei gespalten, dann eine neue gegründet und die trug fortan den Namen ihrer Vorsitzenden. Ihr Bildnis strahlte den Wählenden in Thüringen ebenso wie zeitgleich in Brandenburg und Sachsen auf tausenden Plakaten entgegen; andere Köpfe dieser Partei ...

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Warnstreiks bei VW: »Einer der härtesten Konflikte, die Volkswagen je gesehen hat«

Die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat haben beim Automobil-Konzern VW zu Warnstreiks aufgerufen, um so den Druck in der aktuellen Tarifrunde zu erhöhen. Die war am Donnerstag ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Bereits in der Nacht zum Sonntag hatten rund 300 Volkswagen-Beschäftigte und Metaller ...

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Nach der Trump-Wahl: Auf ultrarechtem Kurs

Die künftige US-Regierung schwenkt mit mehreren designierten Ministern auf einen ultrarechten, hart antichinesischen Kurs ein – in einer Zeit, in der Deutschland in wachsende Abhängigkeit von den USA geraten ist. 15 Nov 2024 WASHINGTON/BERLIN (Eigener Bericht) – Die künftige Regierung der USA, des wichtigsten NATO-Verbündeten der Bundesrepublik, wird neben ...

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Zu Hintergründen des Wahlergebnisses - Trump wird wieder Präsident der USA

Das Rennen zwischen dem Republikaner Donald Trump und der Demokratin Kamala Harris um die nächste Präsidentschaft in den USA ist entschieden, der Sieger heißt Trump. Stand 6.11. 13:30 Uhr werden mindestens 276 Wahlleute für ihn stimmen. Auch die beiden Kammern des amerikanischen Kongresses waren hart ...

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Die Gegenstrategien sind noch nicht ausreichend: Hochwasser als Folge der Klimakrise

Bei den Überschwemmungen in Teilen Österreichs, Polens, Rumäniens und Tschechiens sind bisher mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen, kilometerweit sind Felder und Straßen überschwemmt, Keller und Häuser vollgelaufen, Dämme und Deiche zerstört. »Die Hochwasser, die wir sehen, sind bedrückend«, findet Bundeskanzler Olaf Scholz. »Wir werden ...

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Gießener Linke fordert Wohnraumleerstandkataster

Der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori hat entschlossene Maßnahmen gegen den Missstand leerstehender Wohnungen angekündigt. „Die neuen Zahlen mit fast zwei Millionen leerstehenden Wohnungen in Deutschland vor allem in Großstädten zeigen, wie groß der Handlungsbedarf ist“, sagte Mansoori am Freitag in Berlin. In Hessen stehen über 122.000 Wohnungen leer. In Frankfurt gibt es fast 13.000 leerstehende Wohnungen, ...

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Gießener Linke fordert Verzicht auf den Bau der Ortumgehung Reiskirchen (B49)

Im Januar 2025 soll der seit Jahrzehnten größte Straßenbau im Kreis Gießen starten: Die geplante Südumgehung um Reiskirchen und Lindenstruth, also ein Neubau der B49 mitten durch eine ökologisch wertvolle Landschaft und direkt am Rand der geschützten Jossolleraue. Mehrere geschützte Arten wurden dafür „vergrämt“ (Begriff aus ...

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Bündnis für Verkehrswende: IG Metall an der Seite von Fahrrad und Schiene

IG Metall überrascht mit neuem Bündnis. Gemeinsam mit Fahrrad- und Schienenverbänden fordert sie eine Verkehrswende. Doch wie reagieren die Beschäftigten? Die IG Metall feiert derzeit ihr 75. Jubiläum. Die Arbeitswelt hat sich seit Gewerkschaftsgründung häufig verändert. Jetzt stehen wichtige Industriesparten wie Auto, Maschinenbau und Stahl vor ...

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Wohnfläche

nordstadt_sanierung

Zu viel und zu wenig. Umverteilung im Bestand ist nötig.

Der Wohnraum, der Haushalten zur Verfügung steht, gilt als wichtiges Maß zur Beurteilung der Wohnverhältnisse und hat sich im letzten Jahrhundert als Indikator für den gesellschaftlichen Wohlstand etabliert. Die Frage nach der ausreichenden Größe der Wohnungen wurde spätestens mit dem schnellen Wachstum der Städte zum Thema der Wohnforschung und Sozialpolitik. Die Wohnfläche ist aber ein relativ junger Indikator.

Frühe Sozialreformer kritisierten die Überbelegung, die im 19. Jahrhundert vor allem in der Zahl der Personen pro Wohnraum und am Rauminhalt pro Person in Kubikmetern erfasst wurde. Die ersten systematischen Stadtstatistiken wurden vom Verein für Socialpolitik in den 1880er Jahren zusammengetragen und etablierten die Kategorie der »Wohnungsüberfüllung« in den Statistiken. Als »überfüllt« galt eine Belegung von sechs und mehr Personen pro beheizbarem Zimmer. Der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch zur Jahrhundertwende wurde auf 10 und 15 Quadratmeter pro Person geschätzt.

Auch in den 1920er Jahren, zu einer Zeit, in der das Recht auf Wohnen erstmals in der Verfassung verankert wurde und eine kommunale Wohnungspolitik mit öffentlichem Wohnungsbau und Förderprogrammen entstand, wurde die Wohnungsnot statistisch als Überbelegung er-
fasst. In der Berliner Statistik etwa wurde die Abweichung vom »Normal-
zustand« der Belegungsdichte erhoben. Dieser war mit jeweils zwei Personen je Schlafraum definiert. Über 25 Prozent der Berliner Wohnverhältnisse galten damals als beengt oder sogar als Wohnungsnotstand, weil die Belegung höher war als der vom Statistischen Amt festgelegte »Normalzustand«. Die Statistik wies aber auch über 18 Prozent der Wohnungen als »Wohnluxus« aus, in denen es mehr Räume als Personen gab.

Systematisch erfasst wird der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren, als die durchschnittliche Wohnfläche pro Person bei knapp 20 Quadratmetern lag. In den 30er Jahren bis 1990 stieg diese Zahl auf 42 Quadratmeter. Steigende Wohnflächen galten in vielen fachpolitischen Debatten als Zeichen eines wachsenden Wohlstandes in der westdeutschen Gesellschaft. Verantwortlich für den schnellen Anstieg der individuellen Wohnflächen war vor allem das bundesdeutsche Wohnideal vom Eigenheim. Allein zwischen 1970 und 1990 wurden mehr als vier Millionen Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern errichtet, die Anzahl von neuen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern war deutlich geringer.

Umgekehrt verlief der Wohnungsbau in der DDR. Hier dominierte der staatlich organisierte Bau von Großwohnsiedlungen, und die Errichtung von individuellen Eigenheimen blieb die Ausnahme. Obwohl die rechnerische Wohnversorgungsquote – also das Verhältnis zwischen Wohnungen und Haushalten – zum Ende der DDR sogar höher lag als in Westdeutschland, war die durchschnittliche Wohnfläche hier nur auf etwa 30 Quadratmeter pro Person gestiegen. Insbesondere die ressourcensparenden Grundrisse der Neubauwohnungen und die Vorgaben der staatlich organisierten Wohnungsvergabe haben eine weitgehend effektive Nutzung der Wohnflächenressourcen bewirkt. Mit dem Übergang in das vereinigte Deutschland und die Marktwirtschaft veränderten sich in Ostdeutschland auch die Rahmenbedingungen der Wohnversorgung. Nachholende Suburbanisierungsprozesse mit einem ausgeweiteten Eigenheimbau im Umland der Städte, die Realisierung individueller Wohnträume bei denen, die es sich leisten  konnten, und ein Wohnungsbau, der sich an westdeutschen Wohnstandrads orientierte, führten zu einer relativ zügigen Annäherung des individuellen Wohnflächenkonsums an das westdeutsche Niveau. Mit inzwischen 42 Quadratmeter (Ost) und 49 Quadratmeter (West) liegen die ost- und westdeutschen Wohnbedingungen hinsichtlich der Wohnflächen mit einem Unterschied von 17 Prozent näher beieinander als Anfang der 1990er Jahre, als die Westdeutschen im Durchschnitt 40 Prozent mehr Wohnfläche beanspruchten.

Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die größten Differenzen der individuellen Wohnflächen zwischen den kleinen und großen Haushalten bestehen. Während Alleinwohnende im Durchschnitt auf 73 Quadratmeter Wohnfläche leben, liegt die Wohnfläche pro Kopf bei den Haushalten mit vier und mehr Personen bei lediglich 30 Quadratmeter. Die üppigen Wohnflächen der Einpersonenhaushalte sind dabei nur selten ein Ausdruck von Wohnpräferenzen, sondern vor allem die Folge des Mangels von kleinen Wohnungen und hohen Angebotsmieten. In den Großstädten beispielsweise stellen die Alleinlebenden etwa 50 Prozent der Haushalte – dem gegenüber stehen aber nur etwa 15 Prozent an Wohnungen, die kleiner sind als 45 Quadratmeter. Über 85 Prozent aller Wohnungen wurden im letzten Jahrhundert errichtet, die meisten davon in Zeiten, in denen klassische Kleinfamilien als gesellschaftliche Norm galten. Entsprechend gering ist der Anteil von Wohnungen,  die zu den aktuellen Lebensentwürfen passen. Viele ältere Haushalte verbleiben nach dem Auszug der Kinder in den großen Familienwohnungen. Denn eine Reduktion der Wohnfläche würde einen Umzug voraussetzen. Durch die hohen Neuvermietungsmieten sind jedoch die kleineren Wohnungen beim Abschluss eines Mietvertrages oft teurer als selbst sehr große Wohnungen in Bestandsmietverträgen. Hier scheitert der Markt in seinem Versprechen, einen funktionstüchtigen Verteilungsmechanismus zu bieten.

Neben den Haushaltsgrößen sind auch der Wohnstatus und das Einkommen entscheidend für das Ausmaß der individuellen Wohnflächen. Ein Vergleich der Haushalte mit kleinen Einkommen (bis 1500 Euro) und den Haushalten mit höheren Einkommen (mehr als 4000 Euro) zeigt unter Berücksichtigung der verschiedenen Haushaltsgrößen, dass die Haushalte mit höheren Einkommen etwa 23 Quadratmeter mehr Wohnfläche pro Kopf nutzen als die Haushalte mit kleinen Einkommen. Der einkommensabhängige Mehrkonsum beträgt 50 Prozent der individuellen Wohnflächen.

Auch der Wohnstatus, also ob Haushalte im selbstgenutzten Eigentum oder zur Miete wohnen, hat einen erheblichen Einfluss auf die individuellen Wohnflächen. In den Eigentümerhaushalten liegt der individuelle Wohnflächenverbrauch im Mittel fast 28 Quadratmeter über dem der Mieterhaushalte mit der gleichen Personenzahl. Auch der Eigentumseffekt beträgt etwa 50 Prozent der Wohnflächen.

Knapp 150 Jahre nach den ersten systematischen Erfassungen der Wohnstatistik ist das Verhältnis der Personenzahl zur Wohnungsgröße immer noch ein wichtiges Maß zur Beurteilung von Wohnsituation und Versorgungslage. Aus europäischen Vergleichsstatistiken geht hervor, dass elf Prozent der Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2022 in überbelegten Wohnungen lebten – das sind mehr als neun Millionen Menschen, die in beengten Wohnungen leben müssen. Die Wohnfläche ist nach wie vor ein ziemlich treffsicherer Indikator für die soziale Lage. Vor allem Haushalte mit Eigentum und höheren Einkommen nehmen für sich deutlich mehr Wohnfläche in Anspruch.

In den letzten Jahren hat sich der Blick auf die individuelle Wohnfläche verändert. Ein steigender Flächenkonsum gilt nicht mehr als Zeichen für den allgemeinen Wohlstand der Gesellschaft, sondern wird vor allem als klimapolitisches Problem angesehen. Seit Anfang der 1990er Jahre ist die Bevölkerung in der Bundesrepublik um etwa 4,5 Millionen Personen gewachsen. Im selben Zeitraum wurden etwa zehn Millionen neue Wohnungen fertiggestellt. Das sind mehr als zwei Neubauwohnungen pro zusätzlicher Person. Zum Teil geht diese Überproduktion an Wohnungen auf regional unterschiedliche Entwicklungen – schrumpfende Bevölkerung in ländlichen Räumen und wachsende Städte – zurück. Zum anderen ist die Wohnungsnachfrage durch die Verkleinerung der Haushalte gestiegen – viele kleine Haushalte benötigen mehr Wohnungen als wenige große Haushalte, selbst wenn dieselbe Personenzahl versorgt werden soll. Die Folgen dieser Verschiebungen werden auch in de n steigenden Wohnflächen pro Person sichtbar. Eine ressourcenschonende Stadt- und Wohnungspolitik sollte deshalb weniger auf Neubau setzen, als vielmehr die Verteilungspotentiale des Bestandes in den Blick nehmen.

Andrej Holm ist Stadt- und Regionalsoziologie mit den Forschungsschwerpunkten Gentrification, Wohnungspolitik im internationalen Vergleich und Europäische Stadtpolitik.

aus: Zeits hrift Lunpark 21