Endspiel im Amazonasbecken
Bericht an den Club of Rome: Tropischer Regenwald ist um die Hälfte geschrumpft
Trotz jahrzehntelanger Abholzung gibt es noch riesige Tropenwaldflächen auf der Erde. Doch sie müssen besser geschützt werden. In einem Bericht des Club of Rome wird gewarnt: Bereits die Hälfte ist vernichtet.
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Mächtiger Baum im tropischen Regenwald
Foto: dpa/David Tilman
Der Klimawandel und die industrielle Landwirtschaft werden immer stärker zum Waldkiller. Dies geht aus dem neuen Bericht an den Club of Rome hervor, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach ist fast die Hälfte der Tropenwälder bereits dem Hunger nach Land, Holz, Fleisch, Soja und Palmöl zum Opfer gefallen, wie es in der 352-seitigen Studie heißt. »Das Zusammentreffen von Agrarindustrie, Klimawandel und Zerstückelung der Flächen durch Straßen ist ein tödlicher Giftcocktail«, so Studienautor Claude Martin. »Wenn die Regenwälder verschwinden, kippt unser Klima, und wenn wir den Klimawandel nicht bremsen, werden die Tropenwälder kaum zu retten sein.«
Der Club of Rome, ein Umwelt-Thinktank mit Sitz im schweizerischen Winterthur, sorgte 1972 mit dem Bericht über die »Grenzen des Wachstums« für Furore. Darin wurde auch erstmals auf die Bedeutung des tropischen Regenwaldes für das globale Klima und die Artenvielfalt hingewiesen sowie vor den Folgen eines anhaltenden Kahlschlages gewarnt. Gut 40 Jahre später im mittlerweile 34. Bericht an den Club of Rome liefert der Schweizer Biologe Claude Martin, langjähriger Generaldirektor des WWF International, einen aktuellen Zustandsbericht über die tropischen Regenwälder der Welt. Das Ergebnis: Die verbliebenen Waldflächen am Amazonas, in Zentralafrika und in Asien umfassen noch immer mehr als eine Milliarde Hektar, eine Fläche, die größer ist als die USA, heißt es in dem Bericht. Die Analyse der aktuellen Entwaldungstrends lege aber nahe, dass bis 2050 ein weiterer Verlust von Primärwäldern von mindestens 100 Millionen Hektar zu befürchten ist, was etwa der doppelten Größe Spaniens entspricht. Zwar seien die Abholzungen in den vergangenen Jahren in einigen Regionen deutlich zurückgegangen, doch vom Ziel der Vereinten Nationen, die globale Entwaldung bis 2030 vollständig zu stoppen, sei man weit entfernt.
»Das Endspiel um den Erhalt der letzten Tropenwälder hat längst begonnen«, fasst Claude Martin die aktuelle Situation zusammen. Noch sei das Schicksal der Tropenwälder nicht besiegelt. Es bedürfe aber gewaltiger Anstrengungen, dieses Naturerbe zu bewahren. Neben der Ausweisung von Schutzgebieten seien die Staaten gefordert, den Waldschutz in den Tropenländern gesetzlich zu verankern, praktisch umzusetzen und Finanzströme umzuleiten. Ein weiterer zentraler Punkt sei die Veränderung des Konsumverhaltens der Menschen in den Industrie- und zunehmend auch in den Schwellenländern. Besonders die Nachfrage nach Fleisch, Futtermitteln und Biokraftstoffen dürfe nicht weiter im großen Stil auf Kosten der Tropenwälder gehen. »Wir essen die tropischen Regenwälder auf«, kritisiert Martin.
Im Amazonasbecken findet sich der mit 530 Millionen Hektar größte Regenwaldblock der Erde, der sich auf neun lateinamerikanische Staaten verteilt. »Brasilien hat große Erfolge im Regenwaldschutz erzielt und kann für andere Staaten als Modell funktionieren«, meint Jörg Andreas Krüger, Leiter des Fachbereichs Biodiversität beim WWF Deutschland. Allerdings sei das Land dabei, die Erfolge kurzfristigen Profitinteressen der Agrar-, Energie und Bergbauindustrie zu opfern.
Die Regenwaldproblematik, die in den 1970er und 1980er Jahren noch im Zentrum der internationalen Umweltdebatte und -forschung stand, ist seither aus dem Fokus verschwunden. Dabei gibt es durchaus neue Erkenntnisse. Nicht nur beschleunigt der Schwund des Regenwaldes, der besonders große Mengen CO2 speichert, den Klimawandel, sondern es gibt auch einen umgekehrten Zusammenhang: Mit fortschreitendem Klimawandel werde der Wald zunehmend in die Zange genommen, erläutert Club-of-Rome-Experte Martin. Dürren und Waldbrände würden stark zunehmen. Kommentar Seite 4
Claude Martin: Endspiel – Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können, oekom Verlag, München 2015, 352 Seiten, 22.95 Euro.
von Kurt Stenger, nd